Kommentar:Es geht ums Ganze

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Die Strategie von Osram-Chef Olaf Berlien, mit Investoren über den Verkauf des Unternehmens zu verhandeln, ist riskant. Am Ende könnte eine Zerschlagung stehen.

Von Thomas Fromm

Dass Unternehmen an die Börse gehen, um dort Geld einzusammeln, ist ziemlich normal. Dass sie von der Börse weg und unter das Dach von Finanzinvestoren flüchten wollen, eher weniger. Osram-Chef Olaf Berlien versucht gerade genau das: Er führt Gespräche mit amerikanischen Finanzinvestoren mit dem Ziel, den MDax-Konzern in Teilen oder auch komplett zu verkaufen. Die Strategie ist äußerst riskant, denn Berlien setzt dabei alles auf eine Karte: Die Sache könnte ihn nicht nur seinen Job kosten. Am Ende könnte sogar eine Zerschlagung und damit das Ende des über 100 Jahre alten Konzerns stehen. Dass es der Osram-Chef trotzdem riskiert, zeigt, wie schwierig die Lage bei Osram inzwischen ist.

Es geht ums Ganze.

Im Zentrum des großen Pokerspiels steht mit Berlien ein Mann, der vor drei Jahren eine neue Strategie aufgelegt hat, um sein Unternehmen nach dem historischen Ende der Glüh- und Halogenlampenproduktion neu zu erfinden. Nicht mehr Familien, sondern Großkunden aus der Auto- und Elektroindustrie und sogar Supermärkte sollten fortan Osram-Produkte kaufen. Das neue Geschäftsmodell erwies sich als kompliziert, mitunter wackelig, Erfolg und Misserfolg sind oft nur schwer vorhersehbar. Die ersten 100 Jahre mögen für Osram langweilig gewesen sein - planbar waren die Dinge in jedem Fall. Das neue Osram dagegen: Gewinnwarnungen, Verkäufe ganzer Geschäftsfelder, Umsatzrückgang, strategische Neuausrichtungen. Eine Art ständiges trial and error - Versuch und Irrtum.

Seitdem Siemens seine Anteile verkauft hat, fehlt Osram ein schützender Großaktionär

Seitdem Siemens in den vergangenen Jahren seine Anteile verkauft hat, fehlt Osram ein schützender Großaktionär, und daher geht in München nun die Angst um. Angst, dass die Schwäche des Konzerns jene sogenannten aktivistischen Investoren anzieht, die dafür bekannt sind, dass sie nicht lange fackeln, bevor sie Manager vor die Tür setzen oder einen Konzern gleich ganz auseinandernehmen: Finanzinvestoren wie der US-Hedgefonds Elliott oder die schwedische Investmentgesellschaft Cevian; beide sind in der Industrie berüchtigt dafür, sich anzuschleichen und über den Ankauf kleinerer Aktienpakete Konzerne zu entern. Ziel: Den Managern die Richtung vorzugeben. Die besteht oft darin, auf eine Zerschlagung und den Verkauf der Einzelteile hinzuarbeiten. Das streng betriebswirtschaftliche Argument zielt dabei auf den Augenblick: Die einzelnen Unternehmensteile sind in der Summe mehr wert als das große Ganze. Mit anderen Worten: Man verdient mehr, wenn man den Laden vorher erst mal filetiert.

Als Helfer gegen die Aktivisten sollen nun ausgerechnet zwei andere Größen der Branche einspringen: die Investmentfonds Bain Capital und Carlyle. Berlien hofft auf Unterstützung für seinen Kurs, denn die US-Investoren gelten als weit weniger aggressiv als ihre berüchtigten Kollegen von den Hedgefonds, die seit Monaten Thyssenkrupp aufmischen.

Doch auch Bain und Carlyle würden Osram nicht kaufen, weil sie Nostalgiker sind und ihnen europäische Traditionsunternehmen am Herzen liegen. Sie wollen Geld verdienen, und das nicht zu knapp. Ihre Kur für das malade Unternehmen sähe wohl so aus: Kaufen, von der Börse nehmen, umbauen, sanieren und anschließend - möglichst mit Gewinn - wieder weiterverkaufen. Für zurzeit noch rund 25 000 Mitarbeiter würde das mit ziemlicher Sicherheit neue Sparpläne, weitere Umbauten und Jobabbau bedeuten. Und da Osram in Besitz der Investoren und nicht mehr börsennotiert wäre, hieße das auch: alles hinter verschlossenen Türen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sollte das nicht funktionieren, gäbe es immer noch den harten Weg: Portionieren und in Einzelteilen verkaufen. Osram, einst einer der großen Hersteller von Glühbirnen und Halogenlampen, hat heute drei unterschiedliche Geschäftsfelder, in denen unter anderem LED-Produkte für Autos, Smartphones, medizinische Geräte oder Industrieanlagen hergestellt werden. Drei Bereiche, die sich einzeln weiter verkaufen ließen - möglicherweise würden die Investoren dabei sogar einen guten Schnitt machen. Allerdings wäre dies dann wohl das Ende von Osram.

Schon jetzt ist Berlien nicht mehr der Mann, der über die Zukunft von Osram entscheidet. Spätestens seit er die Verkaufsgespräche am Mittwoch offiziell machen musste, ist Osram zum Spielball der Investoren geworden. Der Mann, der Osram in die Zukunft führen will, muss sich nun warm anziehen: Kommt es zum Verkauf, stehen ihm harte Zeiten bevor. Sollte der Deal platzen, ebenfalls. Dann müsste er erklären, warum sie den Deal nicht wollten. Auch keine schöne Sache.

© SZ vom 15.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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