Kommentar:Es geht nur gemeinsam

Lesezeit: 2 min

Digitale Firmen haben es leicht, Steuern zu vermeiden. Das lässt sich nur beenden, wenn Europäer und Amerikaner endlich alle Konzerne gleich behandeln.

Von Helmut Martin-Jung

Manche Probleme sind vergleichsweise leicht zu analysieren, aber umso schwerer zu lösen. Die sogenannte Digitalsteuer gehört definitiv zu dieser Kategorie. Dass ein Handwerksbetrieb in der EU 20 oder 25 Prozent Steuern zahlen muss, ein ausländischer Konzern aber nur fünf oder sieben, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit - das lässt sich leicht erkennen. Besonders die großen Digitalkonzerne haben Wege gefunden, wie sie ihre Steuerlast beträchtlich senken können.

Da sie ihr Geld im Wesentlichen mit immateriellen Gütern verdienen, mit Bits und Bytes, können sie mithilfe von Nutzungsgebühren, die sie an Holdings in Niedrigsteuerländern zahlen, ihre Steuerlast in den Ländern drücken, in denen sie ihr eigentliches Geschäft machen. Die reichsten dieser Konzerne sitzen auf Summen, die dem Bruttosozialprodukt von Industriestaaten entsprechen. Es ist also unbestreitbar, dass etwas passieren muss. Bleibt nur die Frage, was.

Einfache Lösungen für komplexe Probleme haben nur Populisten im Programm, und meistens machen die am Ende alles nur schlimmer. Warum aber ist die Sache so kompliziert? Nun, ein Teil des Problems liegt darin, dass die europäischen Staaten sich bei der Steuerpolitik nicht einig sind. Länder wie Irland oder die Niederlande gestatten den Konzernen ihre Tricks. Sie nehmen dadurch zwar weniger Steuern ein, profitieren aber davon, dass diese Konzerne ihre Europa-Zentralen in diesen Ländern ansiedeln und so Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln. Dass dies nicht gerecht ist gegenüber den anderen Ländern, ist ebenfalls leicht zu erkennen.

Wie also dem Dilemma entkommen? Könnte eine Steuer auf die Umsätze statt auf die Gewinne eine Lösung sein? Das klingt zwar gut, würde aber auch wieder einige Länder benachteiligen - unter anderem Deutschland. Die Steuer träfe ja nicht nur digitale Unternehmen, das ließe sich kaum abgrenzen. Am Ende könnte es daher sein, dass deutsche Mittelständler die neue Steuer zahlen müssten, die Konzerne aber wieder Wege finden, sie zu umgehen. Oder dass Europa für aufstrebende Technologieunternehmen als Standort unattraktiv wird und weiter hinter Amerika und China zurückfällt.

Europäer und Amerikaner müssen die Konzerne endlich gleich behandeln

Die unpopuläre Lösung müsste also eher so aussehen, dass sich die Staaten zusammenraufen. Ziel muss es sein, die sehr unterschiedliche Behandlung von Konzernen in Europa zu beenden. Aber so, dass sich die Nachteile für die bisherigen EU-Steuerparadiese in Grenzen halten - andernfalls würden die auch niemals zustimmen. Aber auch auf der transatlantischen Ebene muss etwas geschehen. Bisher ist die Bundesregierung bei der vor allem von Frankreich propagierten Digitalsteuer auch deshalb so zögerlich, weil man in Berlin befürchtet, die Amerikaner könnten das als protektionistische Maßnahme verstehen und dann die bereits angedrohten, aber gerade noch einmal abgewendeten Zölle auf Autos doch einführen. Was natürlich die exportstarke deutsche Automobilindustrie in besonderer Weise treffen würde.

So berechtigt also die Forderung nach einer gerechteren Besteuerung der Konzerne auch ist - eine schnelle Lösung wird es kaum geben. Der Druck aber wächst. Die EU will die Steuer, Frankreich drängt. Deutschland täte nun gut daran, zwar die Bereitschaft zu signalisieren, dass man das Problem lösen will, aber keiner Lösung zuzustimmen, die der eigenen Wirtschaft schadet. Das ist ein heikler Akt - schließlich hat man Paris schon ziemlich lange warten lassen. Es wird also darauf ankommen, viel und gut zu kommunizieren und zugleich mit den EU-Partnern an Lösungen zu arbeiten, die einen Ausgleich der verschiedenen Interessen schaffen.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: