Kommentar:Endlich sagt's mal einer

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Wie geht es weiter mit Volkswagen? Jetzt mischt sich Investor Chris Hohn ein. Er gilt als Rüpel und Krawallmacher - und könnte mit seinen radikalen Ideen im undurchsichtigen Wolfsburger Konzern etwas verändern.

Von Karl-Heinz Büschemann

Nicht einmal die Queen ist an diesem Kerl vorbeigekommen. Vor zwei Jahren hat die britische Königin den Mann zum Adeligen erhoben, der in Unternehmenskreisen als Rüpel und Krawallmacher gilt. Bei Managern ist Chris Hohn nicht beliebt, weil er sich mit Milliarden in große Unternehmen einkauft und anschließend die Führung herumkommandiert oder feuert. Das macht der Londoner Fondsmanager so erfolgreich, dass er es zu märchenhaftem Reichtum gebracht hat, der es ihm erlaubt, zum Wohltäter der britischen Gesellschaft zu werden. Geschäftliche Härte und soziales Handeln liegen oft nah beieinander.

Jetzt mischt der 49-Jährige den VW-Konzern auf. Er hat einen Brief an Vorstand und Aufsichtsrat geschrieben und den Finger in Wunden gelegt. Endlich findet sich einer, der sich eben nicht scheut, den verfilzten Konzern hart zu kritisieren. Hohns Attacke auf Volkswagen ist das erste Anzeichen dafür, dass es bei VW nach Monaten des schwelenden Abgasskandals doch zu einem Neuanfang kommen könnte. Der Brite mit dem üblen Leumund könnte zu einem Wohltäter für die deutsche Wirtschaft werden.

Investor Chris Hohn ist radikal. Er könnte im undurchsichtigen Konzern etwas verändern

Das VW-Management sei für sein Scheitern mit Supergehältern belohnt worden, kritisiert Hohn, der mit TCI zwei Prozent am Aktienkapital von VW hält, aber kein Stimmrecht hat. Das Management habe binnen sechs Jahren 400 Millionen Euro durch Gehälter und Boni aus dem Konzern gezogen. Das seien "Auswüchse epischen Ausmaßes". Die Rechte der Aktionäre würden missachtet. Außerdem würden sie für 2015 mit einer Mini-Dividende abgespeist, die mit 68 Millionen Euro etwa hoch ist wie die Managergehälter für das Jahr mit seinem Rekordverlust. Er werde andere Investoren um Unterstützung bitten, sagt Hohn. Die braucht er in diesem Kampf.

Finanzinvestoren gelten wegen ihrer Gier nach Rendite in Deutschland als Totengräber von Unternehmen und als Sinnbild des gewissenlosen Kapitalismus. Das stimmt in Einzelfällen, man muss sie auch nicht mögen. Aber die kompromisslosen Methoden eines angelsächsischen Investors sind eine geeignete Waffe, mit denen sich bei Volkswagen etwas verändern ließe. Denn der Wolfsburger Konzern ist ebenfalls nicht zimperlich mit seinen Methoden. Seine Führungskultur ist undurchsichtig, sie entspricht nicht den modernen Regeln guter Unternehmensführung. Im System Volkswagen haben sich das Land Niedersachsen, Betriebsrat, Management und die Großaktionärsfamilien Porsche und Piëch die Macht untereinander aufgeteilt, indem sie sich gegenseitig Vorteile zuschieben. Das hat Züge von undurchdringlichem Filz. Es gibt in Wolfsburg keine klare Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat. Das hat dem Konzern trotzdem Erfolge erlaubt. Aber diese Melange birgt das Risiko, dass folgenreiche Machenschaften wie die Fälschung bei Abgasen oder vor zehn Jahren der Skandal um bestochene Betriebsräte kaum zu verhindern sind.

Chris Hohn und seine Fondsgesellschaft haben 1,2 Milliarden Euro für die Beteiligung an VW ausgegeben. Dieses Geld soll sich hoch verzinsen, und Hohn weiß, dass es im Volkswagen-Konzern noch gewaltige Reserven gibt, die gehoben werden können. Der Konzern produziert zu teuer. Die Konkurrenz von Toyota arbeitet produktiver. Die Enge von Politik, Gewerkschaften und Management hat in Wolfsburg aber nicht etwa dazu geführt, dass die Arbeitsplätze sicherer wären als in anderen Unternehmen. Sie hat die Kosten getrieben. Trotzdem setzt sich in Wolfsburg die Erkenntnis nur mühsam durch, dass es ohne harte Schnitte bei Kosten und Arbeitsplätzen nicht gehen wird.

Was der Finanzinvestor Hohn von VW fordert, mag ungewohnt brutal klingen. Er verlangt aber nichts anderes als saubere Regeln der Unternehmensführung, wie sie in großen deutschen Unternehmen längst etabliert sind: mit sauber getrennten Kompetenzen von Aufsichtsrat und Vorstand, mit klaren Strukturen für die Überwachung des Managements und mit genau definierten Rechten für die Aktionäre. Mit solchen Prinzipien, wie sie im Corporate Governance Kodex definiert sind, fahren Aktiengesellschaften von BMW bis Siemens bestens. Der Vorstoß von TCI bei VW ist nichts anderes als der Versuch, den Wolfsburger Konzern zu einem normalen Unternehmen zu machen.

Hoffentlich erkennen die Großaktionäre Porsche und Piëch, die zur miserablen Führungskultur von Volkswagen maßgeblich beigetragen haben, dass dieser aggressiv auftretende Finanzinvestor in ihrem Sinne und in dem der Arbeitnehmer handelt. Die Eigentümer sollten diese Chance nutzen und Hohn zu ihrem Verbündeten machen.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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