Kommentar:Ende mit Schrecken

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Die Telekom sagt die Fusion ihrer US-Tochter mit Sprint ab. Die Entscheidung ist richtig - und es wäre nicht das erste Mal, dass das ein positiver Impuls wäre.

Von Caspar Busse

Seit Monaten gab es immer neue Spekulationen, und zwar in alle Richtungen. Die Gespräche seien weit fortgeschritten und stünden kurz vor dem Abschluss, hieß es in der einen Woche. Alles laufe ganz schlecht, nichts komme voran, verlautete wenige Tage später. Und die Deutsche Telekom blieb die ganze Zeit über eisern und gab keinen Kommentar. Niemand in der Zentrale in Bonn bestätigte offiziell, dass es überhaupt Fusionsgespräche zwischen der US-Tochter T-Mobile mit dem amerikanischen Wettbewerber Sprint gebe.

Am Wochenende nun wurde das Multi-Milliarden-Projekt, das es eigentlich gar nicht geben durfte, von Telekom-Chef Tim Höttges amtlich beendet. Es sei keine Einigung über die Rahmenbedingungen für einen solchen Zusammenschluss erzielt worden, teilte der Bonner Konzern mit. Aus der Traum, Ende, vorbei. Die Anleger waren enttäuscht, die Aktie der Deutschen Telekom sank am Montag um zwischenzeitlich vier Prozent. Das Papier des Fusionspartners Sprint gab noch stärker nach. Zusammen wären T-Mobile US und Sprint auf 130 Millionen Kunden gekommen und eine echte Konkurrenz zu den beiden amerikanischen Marktführern Verizon und AT & T geworden.

Und doch ist es richtig, dass Telekom-Chef Höttges die Gespräche jetzt endgültig aufgegeben hat. Zu lange schon taktierten Sprint und dessen Großaktionär, der japanische Technologiekonzern Softbank, zu lange führten sie die Bonner an der Nase herum. Am Ende wollten Sprint und Softbank offenbar das Sagen im neuen Unternehmen haben, obwohl T-Mobile US deutlich größer als Sprint ist.

Die amerikanische Tochter des Bonner Konzerns ist alleine überlebensfähig

Es wäre ein fataler Fehler gewesen, sich auf ein flaues Gemeinschaftsunternehmen einzulassen und den Japanern noch weiter entgegenzukommen. Die Machtverhältnisse müssen vor einem Zusammenschluss eindeutig geklärt sein, sonst hat ein Projekt keine gute Zukunft. Wie es falsch läuft, dafür gibt es viele Beispiele, auch bei deutsch-amerikanischen Fusionen. Das fängt 1998 mit der viel zitierten "Hochzeit im Himmel" an, also mit dem Zusammengehen der ungleichen Autobauer Daimler und Chrysler, das Jahre später so schmerzvoll wieder geschieden wurde. Und es hört mit einem aktuellen Fall auf, nämlich mit der geplanten Fusion der beiden Gaseanbieter Linde und Praxair. Das Ganze ist mühsam als "Fusion unter Gleichen" deklariert, aber schon vor dem eigentlichen Zusammengehen gibt es jetzt mächtig Ärger zwischen den Partnern, darüber, wie der weitere Kurs ist. Praxair-Vorstände preschen in vertraulichen Gesprächen mit Anlegern vor, hinter dem Rücken der Münchner, die nun mit Recht sehr sauer sind.

Wie so oft ist ein Ende mit Schrecken (wie bei Telekom/Sprint) besser als ein Schrecken ohne Ende (danach sieht es bei Linde/Praxair aus). Dazu kommt, dass es eine ganze Reihe von Unabwägbarkeiten gegeben hätte. Die Zustimmung der US-Behörden zu dem Geschäft galt als durchaus unsicher. Eine Fusion von Mobilfunkanbietern muss auch nicht reibungslos verlaufen, wie das Beispiel von Telefónica und E-Plus in Deutschland zeigt.

Ist Telekom-Chef Höttges nach der Absage des Geschäftes nun der große Verlierer? Vordergründig sieht es so aus, denn eine Chance ist dahin. Gemeinsam hätten T-Mobile US und Sprint viel erreichen können. Trotzdem: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die US-Tochterfirma der Telekom alleine überlebensfähig ist und sogar sehr erfolgreich sein kann. Kundenzahl und Umsatz in den USA steigen seit vielen Jahren, das Image wird immer besser. Das amerikanische Mobilfunkgeschäft ist einer der Treiber für die Telekom, die in Europa mit einem weitgehend stagnierenden Geschäft und fest verteilten Marktanteilen zu kämpfen hat.

Im Sommer 2000 hatte sich Ron Sommer, der glamouröse Vor-Vor-Vorgänger Höttges', auf den US-Markt gewagt und in der allgemeinen Börseneuphorie zu einem völlig überhöhten Preis die Mobilfunkfirma Voicestream gekauft. Davon hat sich der ehemalige Staatskonzern lange nicht erholt, noch heute sind die Schulden hoch. Und doch ist die Wende geschafft. Kurioserweise gab dafür eine ebenfalls gescheiterte Übernahme den Ausschlag. Eigentlich wollte 2011 AT&T die Telekom-Tochter in den USA kaufen, scheiterte aber an den Behörden. Erst danach - und mit den Milliarden, die AT&T als Entschädigung leistete - ging T-Mobile US auf Erfolgskurs. Das Scheitern kann also auch eine Chance sein.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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