Kommentar:Einfach unfair

Lesezeit: 2 min

Rund 300 Euro zahlt jeder Bundesbürger jährlich für die Subventionen und Steuervergünstigungen des Staates. Es gäbe bessere Verwendungen für das Geld.

Von Catherine Hoffmann

Vor dem Bundesfinanzministerium müssen die Interessenten Schlange stehen: die Bauern, die Zechenbesitzer, die Reeder, die Elektroautohersteller und Gebäudesanierer. Sie alle - und noch viel mehr Unternehmen und Branchen in Deutschland - bekommen Staatshilfe. Rund 300 Euro zahlt jeder Bundesbürger jährlich für Subventionen, 25 Euro im Monat. Das Erstaunliche daran: Die Zuschüssen und Steuererleichterungen sind in den vergangenen Jahren gestiegen, trotz der guten Konjunktur, auf nunmehr 25 Milliarden Euro, haben die Statistiker des Bundes ermittelt. Andere, wie die Forscher vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, kommen auf viel höhere Beträge, wenn man alles einrechnet, was bislang unter den Tisch fällt wie beispielsweise Bürgschaften oder Kapitalspritzen für chronisch defizitäre Unternehmen: 2100 Euro je Einwohner. Muss das sein?

Der Staat ist keine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken wird

Die Frage ist berechtigt. Subventionen werden aus Steuermitteln bezahlt. Der Staat ist keine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken wird. Wolfgang Schäuble kann keinen Euro ausgeben, den er nicht zuvor seinen Bürgern durch die Steuer abgenommen hat. Rechnet sich das für die Allgemeinheit? Nicht immer. In vielen Fällen sind die staatlichen Zuschüsse und Zuwendungen, Beihilfen und Prämien für die Steuerzahler ein Verlustgeschäft.

Nun ist es nicht verwerflich, Steuermittel für ganz bestimmte Zwecke oder zugunsten bestimmter Bevölkerungsgruppen oder Wirtschaftszweige auszugeben. Bei Subventionen handelt es sich um eine Umverteilung des Sozialprodukts. Und eine Umverteilung, die wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Zielen dient, ist völlig legitim. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob Staatshilfen immer das beste Mittel sind, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Ob Unterstützung gerechtfertigt und sinnvoll ist, sollte deshalb stets im Einzelfall geprüft werden. So weiß man heute, dass die finanzielle Förderung von Diesel gegenüber Benzin die falschen Anreize setzt. Und die Subvention der Kohle bei gleichzeitigem Kampf gegen die klimaschädlichen Auswirkungen dieses fossilen Brennstoffs erscheint geradezu paradox. Kritisch hinterfragen darf man auch, warum Erben von Betrieben besser gestellt werden als Erben von Immobilen oder Aktien.

Nun gibt es für die meisten Subventionen - für sich betrachtet - einleuchtende Argumente; das populärste ist der Erhalt von Arbeitsplätzen. Es ist aber ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sich mit Staatshilfe die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen oder Branchen verbessern ließe, die in Schwierigkeiten stecken. So lässt sich allenfalls der Strukturwandel abmildern, aber nicht aufhalten. Aus einem subventionierten Bergbauunternehmen wird mithilfe des Staatsgeldes keine High-Tech-Firma, die in den Märkten von morgen bestehen kann.

Auch verführen staatliche Vergünstigungen die Empfänger dazu, sich zurückzulehnen, statt sich anzustrengen, um künftig im Wettstreit mit den Konkurrenten alleine zu bestehen. Stattdessen kommt es oftmals zu einem Gewöhnungseffekt, man beginnt, sich auf die staatlichen Gelder zu verlassen und verwendet viel Energie auf Lobbyaktivitäten, um die einmal erreichte Unterstützung zu sichern, auch wenn der Anlass für ihre Einführung längst weggefallen ist. Zudem dürfte mit dem fremden Geld nachlässiger umgegangen werden als mit dem eigenen. Subventionen mildern den marktwirtschaftlichen Zwang, mit knappen Ressourcen zu haushalten.

Nicht nur das Verhalten der Unternehmen verändert sich unter dem Einfluss von Subventionen, auch der Wettbewerb in einzelnen Märkten oder Branchen wird verzerrt. Zunächst bedeutet jede Subvention zugunsten eines Betriebes eine relative Benachteiligung aller übrigen Firmen, die nicht subventioniert werden. Besonders dramatisch ist der Effekt im Falle von "in Not" geratenen Unternehmen oder Wirtschaftszweigen: Hier werden mit dem Geld der Steuerzahler unrentable oder schlecht geführte Betriebe am Leben erhalten; anderen bleiben die Beihilfen, Steuererleichterungen oder - wie bei Air Berlin - Kredithilfen verwehrt. Diese Ungleichbehandlung verzerrt zwangsläufig den Wettbewerb.

Das Schlimmste aber ist: Die planlos gewährten Steuervorteile und Finanzhilfen verschlingen Geld, das für andere, sinnvolle Zwecke ausgegeben werden könnte. So wäre es bestimmt besser, statt der Kohle die Schulen und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zu stärken und Geld in die bröselnde Verkehrsinfrastruktur zu stecken. Mehr Investitionen statt Subventionen. Das wäre ein Ziel für die nächste Wahlperiode.

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: