Kommentar:Eine Frage der Solidarität

Lesezeit: 3 min

Momentan gibt es zwei Anlässe, um sich mit dem Thema Sanktionen zu befassen: Venezuelas Weg in die Diktatur und die immer aggressivere Politik Russlands. Fest steht: Sanktionen funktionieren, aber der, der sie verhängt, muss glaubwürdig sein.

Von Nikolaus Piper

Unternehmer mögen keine Wirtschaftssanktionen. Das ist verständlich und auch sympathisch. Freier Handel ohne politische Einmischung gehört schließlich zu den Leitbildern einer exportorientierten Wirtschaft. Nun hält sich die Realität nicht immer an dies Leitbild. Es gibt Länder, in denen ist die deutsche Exportwirtschaft ohne politische Begleitung chancenlos. Und es gibt andere Länder, da muss der Handel im langfristigen Interesse begrenzt werden, selbst wenn es kurzfristig wehtut. Da muss die Wirtschaft den Primat der Politik akzeptieren, was sie in Deutschland auch tut, wenn auch gelegentlich murrend.

In diesen Tagen gibt es zwei Anlässe, um sich grundsätzlich mit dem Thema Sanktionen zu befassen: Venezuelas Weg in die Diktatur und die immer aggressivere Politik Russlands. In der Sache einfach ist der Fall Venezuela. Die Vereinigten Staaten verhängen harte Sanktionen gegen Präsident Nicolás Maduro, der gerade dabei ist, in dem Land die Demokratie abzuschaffen. Sein Vermögen in den USA wird eingefroren, Geschäfte mit ihm werden untersagt. Diese Sanktionen sind uneingeschränkt richtig. Jemand, der sein eigenes Land in den Ruin geführt hat, soll nicht auch noch im Ausland sein Vermögen genießen können - das ist eine Frage der Moral und der Solidarität mit dem venezolanischen Volk. Auch Barack Obama bestrafte bereits einige Angehörige der sozialistischen Führungsclique in Caracas auf diese Weise und warf ihnen Menschenrechtsverletzungen und Korruption vor.

Sanktionen funktionieren, aber der, der sie verhängt, muss glaubwürdig sein

Maduro ist nicht der einzige Politiker, der auf diese Weise von den Vereinigten Staaten oder der internationalen Gemeinschaft bestraft wird. Zu dem Kreis gehören auch der syrische Staatschef Baschar al-Assad, Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Simbabwes Diktator Robert Mugabe. Sanktionen gegen solche Figuren sollen ein Signal an Machthaber überall in der Welt senden: Wer sein Land ausplündert und Menschenrechte verletzt, muss dafür einen Preis zahlen, wenn er ins Ausland geht. Das Signal mag für jemanden wie Mugabe schwach sein, aber es ist nicht irrelevant.

Auch für neue Sanktionen gegen Russland gibt es gute Gründe. Die erste Runde hatten die USA und die EU 2014 gemeinsam beschlossen. Sie richteten sich gegen die Annexion der Krim und gegen Russlands Aggression in der Ostukraine. Jetzt sind weitere Anlässe dazugekommen: die mutmaßliche Einmischung Russlands in den amerikanischen Wahlkampf, der Eingriff in den syrischen Bürgerkrieg auf Seiten des Assad-Regimes und schließlich, aus deutscher Sicht, die Installation von Siemens-Turbinen auf der völkerrechtswidrig annektierten Krim.

Das Problem ist nur: Seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist die Außenwirtschaftspolitik auf geradezu abenteuerliche Weise innenpolitisch motiviert. Das neue Gesetz mit den Russland-Sanktionen hat der Kongress mit dem Hauptziel beschlossen, den Präsidenten an die Leine zu legen und ihn an Deals mit Wladimir Putin zu hindern. Eine Absprache mit der EU gibt es nicht, dafür Passagen, die Amerikas Öl- und Gasindustrie bevorzugen und die Energiesicherheit Europas bedrohen, sodass man in Brüssel schon über Gegenreaktionen gegen die Vereinigten Staaten nachdenken muss.

Nebenbei: Citgo, die US-Tochter der staatlichen Ölgesellschaft Venezuelas, stiftete 500 000 Dollar für die Amtseinführung Trumps. An Citgo ist auch der russische Staatskonzern Rosneft beteiligt. Nach all dem sind die USA in Sachen Sanktionen nicht mehr sehr glaubwürdig. Das Problem gab es auch schon im Kalten Krieg, als die USA sehr viel Nachsicht mit Diktatoren hatten, sofern es sich um die eigenen handelte und nicht die der Sowjetunion. Aber die Zeiten sind vorbei. Der Westen, wenn es ihn denn als handelnde Einheit noch gäbe, könnte konsistent Sanktionen verhängen.

Und Sanktionen können Erfolg haben. Ein wichtiges Beispiel dafür ist Iran. Viele Jahre lang haben die Vetomächte des Sicherheitsrates und Deutschland gemeinsam das Regime in Teheran ökonomisch unter Druck gesetzt, um den Stopp des iranischen Atomprogramms zu erreichen. Am Ende stand der Atomdeal von 2015, immer noch umstritten, aber doch ein großer Fortschritt auf dem Weg zur Beilegung des Konflikts. Jetzt haben die USA ohne Absprache neue Sanktionen gegen das Land verhängt. Niemand weiß, wohin das noch führen wird.

Es wäre schlimm, wenn das gute Instrument der Wirtschaftssanktionen gegen Diktatoren und Aggressoren aus Mangel an Glaubwürdigkeit irgendwann unwirksam würde.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: