Kommentar:Ein Staat, ein Wort

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Österreich verweigert die Rückzahlung der Schulden der Hypo Alpe Adria. Das kann nicht die Grundlage eines gemeinsamen Europas sein.

Von Stephan Radomsky

Ein Freund der EU war Jörg Haider eigentlich nie. Seinen größten Coup gegen Europa landet er aber erst jetzt, posthum, mit den Turbulenzen der unter seiner Ägide groß gewordenen Hypo Alpe Adria. Bisher vergiftete sie vor allem das Verhältnis zwischen Österreich und Bayern. Nun will die Regierung in Wien das ungeliebte Erbe endgültig vom Hals haben. Koste es, was es wolle, solange es kein eigenes Steuergeld ist. Also gibt es auf die Anleihen der Bank keinen Zins mehr und keine Tilgung. Statt dessen: ein verordneter Schuldenschnitt für die Hypo-Auffanggesellschaft Heta und deren Abwicklung.

All das mag aus Sicht der österreichischen Regierung innenpolitisch sinnvoll sein, und vielleicht ist es juristisch sogar legal. Darüber werden die Gerichte zu entscheiden haben. So nachvollziehbar die Haltung Österreichs aber ist, so gefährlich ist sie auch - weniger für die Gläubiger der Hypo Alpe Adria oder die Alpenrepublik als für Europa insgesamt.

Es bleibt die Frage, was staatliche Garantien im Ernstfall noch wert sind

Zu solch einer politischen Bürde wird die Hypo Alpe Adria vor allem, weil Haider seinerzeit staatliche Garantien in Milliardenhöhe für die Schulden der in illegale Geschäfte verstrickten Bank abgab, und zwar als demokratisch gewählter Regierungschef Kärntens. Haider starb 2008, sein Land steht aber noch immer für Kredite über rund 10,5 Milliarden Euro im Wort, bei einem jährlichen Etat von etwa zwei Milliarden Euro.

Für diese Schulden will die Regierung in Wien nicht einstehen, obwohl sie für Kärnten mit verantwortlich ist. Damit wirft sie aber unwillkürlich die Frage auf, wie es in Europa weitergehen soll, wenn staatliche Garantien im Ernstfall wertlos sind, sobald sie zur Belastung werden. Denn mit ihrer Zahlungsverweigerung stellt die Regierung das Fundament der politischen und wirtschaftlichen Union Europas infrage: das gegenseitige Vertrauen in einmal gegebene Zusagen.

Dabei erscheint der Fall der Hypo Alpe Adria, gemessen an der Dimension anderen Finanzkrisen, überschaubar. Von den verbliebenen etwa 10,5 Milliarden Euro der von Kärnten garantierten Hypo-Schulden, liegen gut sieben Milliarden bei deutschen Banken und Versicherungen. Sie und die restlichen Gläubiger bekommen nun seit Anfang März keine Zahlungen mehr, weil es die Finanzmarktaufsicht in Wien so verfügt hat.

Kürzlich riet die Europäische Zentralbank den Kreditinstituten deshalb dringend, den Wert der Hypo-Papiere in ihren Büchern um die Hälfte zu senken. Die meisten werden das verkraften, auch wenn es sie belastet. Mit der Düsseldorfer Hypothekenbank geriet aber bereits ein Institut in Schieflage und musste gerettet werden, auf Kosten der deutschen Banken und damit auch der hiesigen Sparer. Und wenn staatliche Institute wie die Bayern-LB, die Pfandbriefbank PBB oder die HRE-Bad-Bank FMS nun ihre Bilanzen anpassen müssen, geht das letztlich eben auch zulasten des Steuerzahlers.

Um eines klarzustellen: Auch die Hypo-Gläubiger hätten sich nie blindlings auf die Garantien aus Kärnten verlassen dürfen. Zu offensichtlich war, dass ein Land mit weniger Einwohnern als Düsseldorf im Ernstfall nie für solche Beträge hätte geradestehen können. Insofern ist es gerechtfertigt, auch sie finanziell an den Aufräumarbeiten im Nachlass der Skandalbank zu beteiligen. Aber auch die Zentralregierung war eben nicht schuld-, wohl aber verantwortungslos, als sie ein Bundesland ungehindert aberwitzige Versprechen machen ließ. Wenn man in Wien nun in Richtung Klagenfurt zeigt und argumentiert, es seien eigentlich Kärntner Schulden, ist das deshalb wenig mehr als eine fadenscheinige Ausrede. Und den Fall einfach mit einem einseitigen Zahlungsstopp abzuräumen, könnte ungewollte Konsequenzen haben.

Die Verweigerungshaltung Österreichs ist nur der Höhepunkt eines über mehr als ein Jahrzehnt gewachsenen finanzpolitischen Egoismus in Europa. Und der hat wesentlich dazu beigetragen, die Euro- Zone in die Krise zu führen: Zunächst erschütterten Deutschland und Frankreich das Vertrauen schon kurz nach der Euro-Einführung, als sie den Stabilitätspakt straflos schleiften, um sich höher verschulden zu können. Griechenland ging noch einen Schritt weiter, als es sich erst in den Euro-Raum drängte, um dann nur durch einen Schuldenschnitt und Notkredite vor dem finanziellen Kollaps gerettet zu werden. Und nun verweigert Österreich die Rückzahlung der Kärntner Schulden, die ja auch die eigenen sind.

Das kann nicht die Geschäftsgrundlage eines gemeinsamen Europas sein. Staaten müssen auch für das Wort ihrer Bundesländer einstehen - auch wenn es sie politisch schmerzt.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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