Kommentar:Ein Rückfall in die dunkle Zeit

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Das Schweizer Urteil gegen Eckart Seith und seine Mitangeklagten macht fassungslos.

Von Jan Willmroth

Die Finanzwelt der alten Schweiz konnte man sich vorstellen wie ein schwarzes Loch, das schmutziges Geld aus der ganzen Welt anzog. Steuerhinterzieher aus Deutschland und dem Rest Europas, Handlanger von Diktatoren aus Afrika und Asien, Oligarchen, Warlords und andere Gestalten trugen ihre Millionen zu den Banken in der Schweiz, sie konnten sich verlassen auf das eiserne Bankgeheimnis. Es war den Eidgenossen so heilig, dass es jahrzehntelang neben unbescholtenen Kunden auch Kapitalverbrechen schützte.

Viele dieser Verbrechen werden für immer ungesühnt bleiben, allen Datenleaks zum Trotz, und obwohl dieses Bankgeheimnis in seiner Absolutheit weitgehend Geschichte ist. Anfang 2017 hat sich die Schweiz sogar dem automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten angeschlossen. Wer wirklich viel zu verbergen hat, muss seither woanders hin.

Gesetze ändern sich, aber das Denken mancher, die Recht auslegen und anwenden, anscheinend nicht. Das Urteil gegen Eckart Seith und zwei frühere Mitarbeiter der Privatbank J. Safra Sarasin ist ein Beispiel dafür. Die Urteilsbegründung ist unverschämt und macht fassungslos. Mit keinem Wort erwähnen die Richter die Verwicklung der Bank in den Cum-Ex-Skandal oder die Betrugsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Verkauf der einschlägigen Anlageprodukte. Das passt ins Bild: Anstatt die Aufklärung des größten Steuerskandals in der Geschichte Europas zu unterstützen, konzentrierten sich die Bank als Kläger, die Zürcher Staatsanwaltschaft als Strafverfolger und das Bezirksgericht Zürich als Instanz darauf, erst diejenigen zu verfolgen, die strafrechtlich relevante Unterlagen aus einer Bank entwendeten. Das Signal war klar: Bankangestellte, die fragwürdige Geschäfte aufdecken, gehören eingesperrt. Mit dem Vorwurf der Wirtschaftsspionage kam die Staatsanwaltschaft zwar nur in einem Fall durch. Als wollte das Gericht die Ankläger vor einer Mega-Blamage bewahren, stellt es trotzdem alle drei Angeklagten als Verräter dar, die allein wegen Spitzfindigkeiten im Strafrecht vor Schlimmerem bewahrt blieben.

Es stimmt, Eckart Seith hat als Anwalt des Drogeriemilliardärs Erwin Müller rigoros gehandelt. Er hat aber nicht seine Pflichten oder gar seinen Berufsethos als Anwalt verletzt, wie es das Gericht darstellt. Im Gegenteil: Er brachte die Ermittlungen in Sachen Cum-Ex entscheidend voran, indem er den Ermittlern alles zu Sarasin übergab, was er an der Hand hatte. Damit handelte er im Interesse von Millionen Steuerzahlern in Europa.

Viele Schweizer Banken haben verstanden, dass die Volkswirtschaft des Landes ohne Schwarzgeld besser dran ist. Vielleicht geben sie der Gerichtsbarkeit in Zürich ja Nachhilfe.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Eckart Seith war in der Schweiz als Spion angeklagt. Der Prozess lässt den Eindruck entstehen, dass in der Schweiz Geheimhaltungsinteressen von Banken höher gewichtet werden als deren mutmaßliche Straftaten.

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