Kommentar:Ein bisschen Streit soll sein

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Marc Beise erlebte bereits die Krise 2008 als SZ-Wirtschaftsredakteur. Es ist eine prägende Erinnerung. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: ipad)

Friedliche Weihnachten - oft ist dieser Wunsch zu klein gedacht. Kontroverse Themen werden ausgespart. Dabei böte doch gerade dieses Fest, wo viele zusammenkommen, die Chance, herzhaft zu diskutieren.

Von Marc Beise

Friedliche Weihnachten wünscht man sich in diesen Tagen allenthalben, und soweit das die Abwesenheit von Krieg meint, ist das sicher ein ehrenwerter Wunsch. Vielfach allerdings wird die Floskel so klein gedacht, dass man besser alle Konflikte unter den Teppich kehren und heile Welt spielen möge. Psychologen wissen zu berichten, dass das grundsätzlich keine so wahnsinnig gute Idee ist. Trotzdem ist es hier nicht mehr weit zum Tipp, man möge doch gleich alle kontroversen Themen auslassen: AfD, Trump, die ganze Politik. Dann allerdings bleiben bald, und tatsächlich lauten so konkrete Small-Talk-Empfehlungen: Wetter und Fußball. Obwohl, mit RB Leipzig als Herbstmeister ...

Und selbst übers Wetter lässt sich unbefangen nicht mehr reden, denn garantiert kommt jemand um die Ecke und setzt das warme Nieselwetter in Verbindung zur Erderwärmung. Schlimm? Überhaupt nicht! Warum eigentlich nicht gerade an Weihnachten, dem Fest der Begegnung, herzhaft diskutieren über grundsätzliche Fragen? Jedenfalls die Wirtschaftspolitik kennt Themen, über die zu streiten lohnt. Und bei denen in Deutschland ein einigermaßen akzeptiertes Fundament geebnet ist, von dem aus man Argumente fruchtbar austauschen kann.

Während in Australien ein Premierminister soeben aus dem Urlaub zurückgekehrt ist und erkennen hat lassen, dass er trotz verheerender Waldbrände und Dauerhitze immer noch nichts verstanden hat, ist die öffentliche Meinung hierzulande weiter. Dass ein Klimaproblem vorliegt, sehen (fast) alle ein. Womit Raum ist für die konstruktive Debatte, was nun wie geschehen muss: eine schnelle, radikale Umkehr, wie vor allem junge Menschen es teilweise moralisch rigoros fordern? Oder braucht es nicht zwingend die Einbindung in die bestehenden wirtschaftlichen und politischen Strukturen, was allerdings garantiert dazu führen wird, dass alles länger dauert, für manche: zu lange?

Warum also soll man darüber nicht streiten, und warum nicht gerade an Weihnachten, wenn die Generationen versammelt sind und Menschen aus verschiedenen Berufen und Lebenssituationen. Viel zu häufig bewegen sich alle in ihrer jeweiligen Blase: unter Facharbeitern oder Selbständigen, Reichen oder Armen, Rentnern oder Studenten, unter Männern oder Frauen - an Weihnachten mischt sich das, ein Stück weit. Es sind die besten Diskussionen, wenn unterschiedliche Lebenshorizonte, Erfahrungen und Emotionen zusammenkommen.

Moralische Diskussionen, so heißt es manchmal, diskreditieren sich selbst, wenn sie ausgerechnet an Weihnachten geführt werden. Flüchtlingskinder aus Lesbos holen - klar, ein Weihnachtsthema. Die Ungleichheit im Land - klar, ein Weihnachtsthema. Aber es ist weder verboten, zwischen den Festen zu diskutieren noch an den Festen, und jemand wie der Grüne Robert Habeck tut das.

Auch Hasso Plattner wacht nicht erst Weihnachten auf, wenn er den Blick von Teilen der Öffentlichkeit auf die Wirtschaft beklagt, aber er hat es jetzt wieder zum Thema gemacht, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Plattner ist Milliardär, das diskreditiert ihn weithin, leider. Dabei ist er reich geworden, weil er Deutschlands IT-Konzern Nummer eins, SAP, mitgegründet hat. Einer, der maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass Deutschland auch im digitalen Zeitalter noch mitspielt. Manche Bürger, "Sozialisten", sagt Plattner, glaubten wohl, dass Unternehmer Gangster sind, die bestraft werden müssten. Das führt zur durchaus wichtigen Frage, was die Wirtschaft in Deutschland zum Wohle des Landes braucht: mehr Regeln oder mehr Freiheit? Noch so ein Thema für die Feiertage.

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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