Kommentar:Drahtseil nach Peking

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Immer öfter sind es chinesische Investoren, die blitzartig zuschlagen. Die Bundesregierung will wichtige Branchen vor Übernahmen schützen. Das ist gewiss kein Fehler. Denn dahinter steckt mehr oder weniger verhohlen der Staat.

Von Michael Bauchmüller

Die Blitz 17-623 AG muss man nun wirklich nicht kennen. Die winzige Aktiengesellschaft hatte schließlich im Wesentlichen nur einen Zweck: Sie sollte die Übernahme des hessischen Pharmakonzerns Biotest einfädeln. Hinter dem Briefkasten der Blitz AG stand der chinesische Investmentfonds Creat, der sich so blitzartig die Mehrheit an Biotest sicherte. So geht es zu am globalen Unternehmensbasar. Auf der Einkaufstour sind viele Mittel recht und Hightech-Firmen besonders gefragt. Die Bundesregierung will deshalb nun kritische Infrastrukturen besonders schützen. Software für Stromnetze, Kraftwerke oder Wasserversorgung etwa sollen strategischen Investoren versperrt bleiben, militärisch sensible Bereiche sowieso. Ginge es nach Berlin, dann würden sich die Europäer eher gestern als morgen gegen die Strategen aus Peking abschirmen. Nur: So einfach ist das nicht. Diesen Mittwoch will sich das Bundeskabinett mit chinesischen Investoren beschäftigen, ohne das Wort China in den Mund zu nehmen. Dabei zielt die Änderung der Außenwirtschaftsordnung vor allem auf sie: Immer öfter sind es chinesische Firmen, die blitzartig zuschlagen; sie schätzen besonders deutsche Mittelständler. Sie gelten als innovativ, gut geführt, das Risiko ist überschaubar.

Der Berliner Reflex ist nur zu verständlich, denn hinter vielen Investoren aus China steht mehr oder weniger verhohlen der Staat. Derselbe Staat, der mit seiner Strategie "Made in China 2025" die Devise ausgegeben hat, China bis zum 100. Geburtstag der Volksrepublik zur führenden Industriemacht aufzubauen. Bis 2049 soll sie in vielen Schlüsseltechnologien vorne sein. Gerade Deutschland mit seinen vielen hidden champions, mit seinen Weltmarktführern in der Provinz, darf sich da durchaus herausgefordert fühlen - vor allem dann, wenn diese Champions vermehrt zu Übernahmekandidaten werden. Doch wird sich das kaum von Staats wegen verhindern lassen. Es gibt schließlich Grundrechte.

Denn um Aktionäre, Firmenerben oder -eigentümer am Verkauf ihrer Anteile zu hindern, braucht es schon triftige Gründe; schließlich geht es um ihr Eigentum. Ob aber der hidden champion von heute auch zum 100. Geburtstag der Volksrepublik noch ein Champion ist, bleibt dahingestellt. Gerade in den Branchen, an denen China Interesse hat, ist das Innovationstempo größer als der Volkskongress.

Ohnehin sind die Mittel der Bundesregierung begrenzt. Zu entscheiden hat das die EU, sie ist für Handelsfragen zuständig. Und die Europäer sind in der Frage alles andere als einig. Während chinesische Investoren in Westeuropa vor allem an Hightech interessiert sind, treten sie im Osten und Süden der EU durchaus als Firmengründer und willkommene Kapitalgeber auf. Euro-Gläubigern wie Griechenland helfen Investitionen aus China bei der Sanierung des Haushalts - im Gegenzug gibt es zwangsprivatisierte öffentliche Infrastruktur wie den Hafen von Piräus. Für die Europäer bleibt der Umgang mit Peking ein Drahtseilakt, mit chinesischem Kapital und einem schier grenzenlosen Markt einerseits, mit Staatsdumping und Machtstrategien andererseits. Und das umso mehr, seit Donald Trump Europäer und Chinesen zusammentreibt.

Skepsis bleibt, und deshalb ist auch die Verschärfung der deutschen Außenwirtschaftsregeln gewiss kein Fehler. Wo Daten und ihre Verarbeitung ganze Infrastrukturen zusammenbrechen lassen können, muss Vorsicht walten - ganz gleich, welcher Staat hinter Investoren aus dem Ausland steht. Und ja: Regeln sollten in beide Richtungen gelten. Die Freizügigkeit, die chinesische Investoren in Europa genießen, sollte Peking umgekehrt europäischen Investoren in China zugestehen. Stattdessen macht der Zwang zum Joint Venture mit chinesischen Partnern tatsächlich jedes Engagement von Europäern zum venture, zum Wagnis.

Selbstvertrauen wird zum Schlüsselbegriff im Verhältnis zu Peking. Etwa das Selbstvertrauen der Europäer, auf eine solche Gegenseitigkeit der Chancen zu pochen, auch gegen erbitterten Widerstand der von oben geplanten Supermacht. Und gleichzeitig das Selbstvertrauen, dass Innovationen es in einer freien Gesellschaft immer leichter haben werden als in einer staatlich gelenkten. Es bleiben sensible, schützenswerte Bereiche einer Volkswirtschaft, keine Frage. Aber solange gute Schulen und Hochschulen gute Leute hervorbringen, solange mutige Unternehmen noch Neues ausprobieren, muss den Europäern nicht Angst sein. So schnell kann China die Milliarden gar nicht erwirtschaften, um all das wegzukaufen.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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