Kommentar:Die Zukunft ist digital

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Die Branche steckt mitten in einem gewaltigen Veränderungsprozess. Der Allrounder, der von allem ein wenig versteht, hat keine Zukunft.

Von Herbert Fromme

Der Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) hat das Online-Vergleichsportal Check24 zu Recht verklagt. Der Marktführer befolge nicht alle vorgeschriebenen Wettbewerbsregeln, urteilte das Landgericht München. Der Online-Anbieter ist rechtlich nichts anderes als ein Versicherungsmakler, also ein von den Versicherern mit Provisionen bezahlter Vermittler. Das muss Check24 seinen Kunden künftig sehr viel deutlicher klarmachen als bisher.

Für den Kunden wird jetzt leichter erkennbar, dass es sich nicht um eine Einrichtung von Verbraucherschützern handelt, sondern um ein knallhartes Geschäftsmodell.

Die vom BKV gerichtlich durchgesetzte Transparenz steht im Gesetz. Es bleibt ein Geheimnis der Aufsichtsbehörden und der Industrie- und Handelskammern, denen die Aufsicht über die Vermittler obliegt, warum es dafür überhaupt einer Klage bedurfte.

Bislang waren die Anbieter vor allem Geldwechsler. Die Zeiten aber sind vorbei

Der BVK, der traditionelle Versicherungsvertreter und Makler vertritt, hat sich zumindest in diesem Punkt durchgesetzt. Das wird ihm bei der Gewinnung neuer Mitglieder helfen und seine Rolle als Verhandlungspartner von Versicherungskonzernen stärken. Aber den Trend hin zu Online-Abschlüssen wird das Urteil nicht aufhalten.

Die Versicherungswirtschaft steckt mitten in einem gewaltigen Veränderungsprozess. Das liegt zum einen an den niedrigen Zinsen, die dem traditionellen Lebensversicherungsgeschäft den Garaus machen, und damit auch an den in dieser Sparte üblichen hohen Provisionen. Das trifft vor allem traditionelle Vermittler, die Kernklientel des BVK.

Eine noch größere Umwälzung bewirkt die Digitalisierung. Dabei geht es um viel mehr als um die Frage, ob ein Kunde eine Police bei einem Allianz-Vertreter, online bei dem Versicherer selbst oder über ein Vergleichsportal abschließt.

Kern ist ein neues Geschäftsmodell. Bislang sind die Anbieter bei der Versicherung von Autos, Gebäuden oder Haftpflichtrisiken im Privatkundengeschäft vor allem Geldwechsler. Sie nehmen Milliarden an Prämien ein und zahlen ziemlich genau berechenbare Schadensummen aus. Das Risiko ist sehr überschaubar, die Kosten für Vertrieb und Verwaltung sind vergleichsweise hoch, und es bleibt meistens etwas übrig. Der Kunde hat einmal im Jahr Kontakt zum Versicherer, wenn der Beitrag fällig ist - und natürlich, wenn es alle fünf oder sechs Jahre einen Schaden gibt.

Dieses Modell hat ausgedient. Wegen der neuen Transparenz bei Preisen und Kosten, die das Internet bringt. Und wegen der Start-ups und Online-Vergleichsportale wie Check24, die Versicherern und Vermittlern die Kunden abspenstig machen - wenn sie sich nicht ändern.

Die Branche reagiert und versucht, vom Geldwechsler zum Lebensbegleiter zu werden. Dazu gehören geförderte Fitness- und Gesundheitsprogramme, die Betreuung von Autofahrern mittels Fahr-Apps und Kontrolle über den Fahrstil und die Hilfe bei der Sicherung des Hauses mit dem "Smart Home". Und die Mehrzahl der Gesellschaften bieten inzwischen auch den Online-Abschluss und die Online-Betreuung an.

Die meisten traditionellen Vermittler haben Probleme, ihren Platz in dem neuen Geschäftsmodell zu finden. Jahrelang haben sie sich vehement gegen den Online-Vertrieb gesträubt - vergeblich. Jetzt müssen sie mit den Änderungen fertig werden, wissen aber oft nicht, wie.

Dabei hilft es nicht, dass es zu viele Vermittler gibt. Die offizielle Zahl beträgt 231 000. Selbst wenn man Teilzeitmitarbeiter und Karteileichen abzieht, hat Deutschland zu viele Vermittler. Die Versicherer, oder besser gesagt ihre Kunden, die schließlich die Provisionen zahlen, können sich die großen Vertretertruppen nicht mehr leisten.

Die Konkurrenz aus dem Internet gräbt den Vermittlern langsam, aber stetig, das Wasser ab. Der BVK argumentiert gerne, dass viele Versicherungen so komplex seien, dass die Kunden unbedingt einer persönlichen Beratung bedürften. Das mag sein - ist aber eher ein Problem der Anbieter, die komplizierte Produkte entwerfen.

Künftig werden Versicherungen sehr viel einfacher werden. Dafür sorgt die gnadenlose Konkurrenz im Internet. Von den Vermittlern haben nur die eine Zukunft, die Teil des neuen Geschäftsmodells werden, nahtlos zwischen online und offline wechseln, im Skype-Gespräch genauso überzeugend sind wie in einer persönlichen Beratung, und die sich spezialisieren. Der Allrounder, der von allem ein wenig versteht, hat keine Zukunft. Ihn ersetzt ganz einfach das Netz.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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