Kommentar:Die Weltwirtschaft muss mit einem billigen Dollar leben lernen

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Jetzt ist der Euro wieder da, wo er angefangen hat: bei einem Preis von 1,17 Dollar.

Nikolaus Piper

(SZ vom 22.05.2003) — Zwar hat die Währung bis Mittwochabend ihren ersten am 4. Januar 1999 offiziell festgestellten Kurs von 1,1789 Dollar noch nicht ganz erreicht, an der Richtung besteht jedoch kein Zweifel: Der Euro steht unter Aufwertungs-, der Dollar unter Abwertungsdruck.

Es gibt in diesen Tagen viel Spekulationen darüber, dass die amerikanische Regierung den Dollar bewusst schwachredet, um die eigene Exportwirtschaft zu stärken. Das ist durchaus möglich, denn Präsident George Bush kann angesichts der labilen Konjunktur und im beginnenden Vorwahlkampf unmöglich an einem starken Dollar interessiert sein.

Der Dollar ist vermutlich unterbewertet...

Allerdings gehört zum Runterreden auch nicht viel. Was auch immer die Politiker heute sagen, es wird in der jetzigen Stimmung gegen den Dollar ausgelegt - wie beim Euro vor zweieinhalb Jahren. Und dann kann eine Regierung mit Presseerklärungen zwar kurzfristige Kursschwankungen auslösen und Entwicklungen bremsen oder beschleunigen, nie aber einen Trend umdrehen - es sei denn, fundamentale Daten sprächen für diese Umkehr und die Notenbanken griffen mit massiven Stützungskäufen ein.

Beides ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Schon seit langem spricht die ökonomische Logik für einen schwachen Dollar. Das Defizit im amerikanischen Außenhandel wird in diesem Jahr gigantische vier bis fünf Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen.

Dieses Defizit verlangt dringend eine Korrektur. Ende der neunziger Jahre ignorierten die Akteure an den Finanzmärkten die US-Leistungsbilanz; sie hofften auf explodierende Gewinne amerikanischer Unternehmen und schaufelten ihr Geld bereitwillig nach New York oder an die Westküste. Der teure Dollar war so Teil einer riesigen Spekulationsblase.

Jetzt ist die Blase geplatzt und an den Devisenmärkten kehrt Normalität ein.Überraschend ist eigentlich nur, dass sich die Verhältnisse so spät und dann so schnell normalisieren. Das hat mit dem Irak-Krieg zu tun, der massiven Neuverschuldung in Amerika und den historisch niedrigen Zinsen dort.

...aber nicht besonders billig

Die Europäer und besonders die Deutschen sollten die Entwicklung als das begreifen, was sie ist: als Normalisierung. Der Dollar ist heute zwar vermutlich unterbewertet, aber im historischen Vergleich nicht besonders billig. Selbst ein Euro-Kurs von 1,40 Dollar wäre noch im Rahmen des ökonomisch Denkbaren. Unnormal war die Kombination von teurem Dollar und hohem Handelsdefizit in Amerika.

Beides zusammen bedeutete ein gigantisches Konjunkturprogramm für den Rest der Welt und für Amerika eine Art Versicherung gegen steigende Inflation im New-Economy-Boom. Die Konstellation konnte nicht von Dauer sein.

Konkret bedeutet das: Der teure Euro gibt der Europäischen Zentralbank den Spielraum für eine kräftige Zinssenkung, er macht sie aber auch notwendig. Im übrigen ist Europa, nun, da der amerikanische Freund ausfällt, bei seinem Wiederaufstieg auf sich selbst angewiesen.

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