Kommentar:Die Macht der Händler

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Für die Verbraucher ist das auf den ersten Blick eine gute Nachricht: Lebensmittel sind in Deutschland so günstig wie in nur wenigen anderen Ländern. Das hat einen besonderen Grund. Den will das Kartellamt schützen - es geht aber auch mal zu weit.

Von Caspar Busse

Für die Verbraucher ist das auf den ersten Blick eine gute Nachricht: Lebensmittel sind in Deutschland so günstig wie in nur wenigen anderen Ländern, bei überdurchschnittlicher Qualität. Das hat einen Grund: Die Konkurrenz im Lebensmitteleinzelhandel ist hart, härter als in vielen anderen europäischen Nachbarländern. Rund 37 000 Geschäfte gibt es in der Republik, Tante-Emma-Läden, große und kleine Supermärkte, Discounter. Beherrscht wird die Branche von wenigen und großen Handelskonzernen: Edeka mit der Billigkette Netto, Rewe und die dazugehörige Penny-Gruppe, Schwarz, unter anderem mit der Marke Lidl, dazu Aldi und Metro (Real). Sie bekämpfen sich, die Gewinnmargen sind gering. Gut für die Kunden. Aber ihre Einkaufsmacht ist zugleich so groß, dass sie die Hersteller von Lebensmitteln ziemlich im Preis drücken können - mit vielen negativen Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die Preise etwa für Produkte wie Milch oder Butter sind schon lange so niedrig, dass die Landwirte davon kaum leben können.

Gesetzeswidrige Absprachen sind kein Kavaliersdelikt

Es ist richtig und wichtig, dass sich das Bundeskartellamt nun die Mühe gemacht hat, sich diesen Markt einmal ganz genau anzuschauen. Mehr als fünf Jahre haben die Wettbewerbshüter akribisch und gegen viele Widerstände ermittelt. In dieser Woche nun wurde Bußgeld in Höhe von mehr als 150 Millionen Euro gegen insgesamt elf Unternehmen verhängt. Das kann natürlich nur ein kleiner Ausschnitt sein, denn die Fälle sind kompliziert, verzwickt und schwer nachzuweisen. Aber die Strafen sollen auch als Abschreckung gelten, hier wurde bewusst ein Exempel statuiert. Die Kunden werden zwar nicht entschädigt, sie dürfen in Zukunft aber auf fairere Bedingungen hoffen. Gesetzeswidrige Absprache zum Nachteil der Verbraucher, die dann höhere Preise zahlen müssen, sind kein Kavaliersdelikt.

Bislang hatten sich die Experten des Kartellamts vor allem sogenannte horizontale Kartellen vorgeknöpft, also Vereinbarungen etwa von Kaffee-, Zucker- oder Bieranbietern, die sich untereinander auf überhöhte Preise verständigt hatten. Jetzt aber geht es um sogenannte vertikale Absprachen, die deutlich schwieriger nachzuvollziehen und zu beweisen sind. In diesen Fällen verbünden sich die Hersteller und der Handel zum Nachteil des Kunden und einigen sich auch bestimmte, überhöhte Preisniveaus. Davon profitieren eiskalt die Händler und die Lebensmittelproduzenten, aber nicht die Konsumenten.

So löblich das Vorgehen des Kartellamts in dieser Sache ist, an dem Grundproblem ändert es nur wenig. Gerade der Lebenseinzelhandel ist in Deutschland in der Hand weniger Konzerne, und sie verfügen über eine beherrschende Marktmacht. Daran hat übrigens auch das Kartellamt mitgewirkt, als es vor einigen Jahren die Übernahme des Discounters Plus (heute Netto) durch die Edeka-Gruppe durchgewunken hatte - wenn auch unter Auflagen.

Nun will sich Edeka auch noch die Tengelmann-Filialen einverleiben. Diesmal jedoch hat das Kartellamt sein Veto eingelegt. Begründet das mit der starken Stellung in einigen regional stark abgegrenzten Märkten, die für die Verbraucher nun mal ausschlaggebend seien. Nachvollziehbar ist das nicht. Es geht um lediglich 400 Standorte, angesichts der Größe des Lebensmittel-Einzelhandels ist das vernachlässigbar. An der Einkaufsmacht der Edeka-Gruppe wird das auch nichts ändern. Die ist ohnehin schon erdrückend hoch. Nun haben Tengelmann und Edeka beim Bundeswirtschaftsminister den Antrag auf eine Ministererlaubnis gestellt. Die wird aber nach Lage der Dinge so gut wie keine Aussicht auf Erfolg haben.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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