Kommentar:Der Stabilitätspakt — das notwendige Übel

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Das Hauptproblem des europäischen Stabilitätspaktes liegt darin, dass er von Juristen und Politikern und nicht von Ökonomen gemacht wurde.

Nikolaus Piper

(SZ vom 13.05.2003) — Juristisch und politisch ist die Sache klar: Wenn das Staatsdefizit die Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung überschreitet, dann wird in Brüssel der Mechanismus von Warnungen, Ermahnungen und schließlich Strafen in Gang gesetzt.

Ökonomisch lässt sich dagegen allerhand einwenden. Die drei Prozent sind willkürlich gesetzt, das Entscheidende sieht man der Zahl nicht an: ob ein Haushalt chronisch defizitär ist oder nur ein vorübergehendes Konjunkturproblem hat.

Manche Defizite, etwa wenn sie durch die Kombination von Reformen und Steuersenkungen entstehen, sind gar kein Problem, sondern Teil der Lösung.

Die Reform wäre dringlich...

Vor allem hat die derzeitige Debatte um Staatsdefizite nichts mit dem eigentlichen Ziel des Stabilitätspaktes zu tun: Inflation zu verhindern und den Wert des Euro zu schützen.

Von Inflation ist weit und breit nichts zu spüren, und nach außen strotzt der Euro vor Kraft. Am Tag, nachdem Finanzminister Hans Eichel sein Scheitern in Sachen Stabilitätspakt für dieses Jahr einräumen musste, überstieg der Kurs die Marke von 1,16 Dollar.

Unter der Spanne zwischen juristischer Korrektheit und ökonomischen Zweifeln leidet die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspaktes.

Keine Frage: Deutschland wird in diesem Jahr die Drei-Prozent-Grenze verfehlen. Damit ist der Pakt zwar noch nicht am Ende, aber der Respekt vor ihm leidet - zumal auch Frankreich und Italien dessen Vorschriften nicht besonders ernst nehmen.

Vor allem Deutschland hat jedoch gar keine Chancen, in diesem Jahr das Drei-Prozent-Ziel zu erreichen. Alles was rechnerisch denkbar wäre, zum Beispiel eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Punkte, würde das Land direkt in die Rezession führen.

...nur kann sie nicht von Deutschland angestoßen werden

Eine grundlegende Reform des Stabilitätspaktes wäre also dringlich. Nur kann diese nicht durch das Land angestoßen werden, das am stärksten die Regeln verletzt hat.

Jeder Vorstoß der Deutschen in dieser Richtung würde als Versuch gewertet, sich aus den selbst verordneten Regeln zu stehlen. Das würde den Pakt schließlich insgesamt in Frage stellen.

Eine Währungsunion ohne eine gewisse Regelbindung aber ist auf Dauer nicht vorstellbar, die Konsolidierung der Staatsfinanzen liegt im ureigensten Interesse der Bürger Europas. Im deutschen Bundeshaushalt sind 63 Prozent aller Ausgaben für Soziales und Zinsen vorgesehen. Ohne harte Schnitte droht der Staat handlungsunfähig zu werden.

Insofern ist der Weg für die Deutschen vorgezeichnet: Sie müssen den Pakt in seiner jetzigen Form als notwendiges Übel begreifen. Noch nicht in diesem, aber im nächsten Jahr sollte der Haushalt wieder europakonform sein.

Steuererhöhungen verbieten sich auf dem Weg dahin, umso schneller muss die Agenda 2010 umgesetzt werden. Eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung dafür ist im Übrigen ein starker Finanzminister, der Rückhalt beim Kanzler hat.

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