Kommentar:Der Preis der Freiheit

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Wenn die Euro-Staaten wollen, dass es für Griechenland kein weiteres Kreditprogramm gibt, müssen sie tun, was der Internationale Währungsfonds (IWF) schon lange fordert: Griechenland braucht weitere Schuldenerleichterungen.

Von Alexander Mühlauer

Alexis Tsipras ist ein Meister der politischen Gratwanderung. Seit einigen Wochen inszeniert sich der griechische Ministerpräsident als Bote einer neuen Zeit, die in diesem Sommer anbrechen soll. Im August läuft das dritte Kreditprogramm aus; dann soll Griechenland endlich wieder souverän sein. Frei vom Spardiktat der Gläubiger. Und zurück an den Märkten, um sich selbst finanzieren zu können. Doch dieses Bild verkennt die Realität. Schon jetzt ist das Kreditkorsett bis zum Jahr 2060 fest geschnürt. Sollte es nicht zu weiteren Schuldenerleichterungen kommen, bleibt Griechenland das, was es ist: ein fremdbestimmter Staat.

Seit fast acht Jahren wird über die Schuldenlast Athens gestritten. In dieser Zeit hat Griechenland dermaßen harte Einschnitte durchgesetzt, die wohl kein unabhängiger Staat auf sich nehmen würde. Vieles hat sich gebessert. Aber die Schuldenquote ist noch immer hoch. Die der Arbeitslosen ebenso. Die Banken sitzen noch immer auf zu vielen faulen Krediten. Und auch wenn schon viel privatisiert worden ist: Viele ausländische Investoren meiden das Land wie eh und je. Das wird sich erst ändern, wenn Griechenland wieder auf eigenen Beinen steht.

Das wiederum hängt von den Gläubigern ab. Die Euro-Staaten haben Griechenlands Zukunft in der Hand. Wenn sie wollen, dass es kein weiteres Kreditprogramm gibt, müssen sie tun, was der Internationale Währungsfonds (IWF) schon lange fordert: Griechenland braucht weitere Schuldenerleichterungen - nur so kann das Land sich freischwimmen. Nur so kann Athen Märkten und Investoren signalisieren: Unser Wort gilt, weil uns niemand mehr dreinredet.

Es ist so etwas wie die Ironie der Griechenland-Rettung, dass ausgerechnet der IWF einen Schuldenerlass fordert. War es doch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die darauf bestand, dass der Fonds sich an den Kreditprogrammen beteiligt. Doch nun will der Fonds eben das, was der frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stets ablehnte: Schuldenerleichterungen. Er brachte stattdessen einen Grexit auf Zeit ins Spiel. Die Bundesregierung steckt in einem Dilemma. Will sie den Bundestagsbeschluss zum laufenden Programm einhalten, muss der Fonds sich daran finanziell beteiligen. Doch das wird der IWF nur tun, wenn Griechenland aus seiner Sicht wieder eine Perspektive mit deutlich weniger Schuldenlast hat.

Für Merkel birgt die Rolle des Fonds innenpolitische Gefahren. Kommt der IWF finanziell nicht an Bord, müsste der Bundestag mit einem neuen Mandat befasst werden, schließlich wäre dies eine wesentliche Änderung des bisherigen Beschlusses. Das wiederum wäre Wasser auf die Mühlen der Euro-Kritiker von AfD und FDP. Nur: Die vom Fonds geforderten Schuldenerleichterungen wären es ziemlich sicher auch. Insofern sollte eine neue Bundesregierung besser den Bundestagsbeschluss einhalten und den IWF an Bord holen. Schuldenerleichterungen mögen politisch heikel sein; ökonomisch sind sie begründbar - und ein Gewinn für Griechenlands Zukunft.

Athen braucht endlich das, was der IWF schon lange fordert: Schuldenerleichterungen

Die Europäer müssen der Regierung in Athen deshalb nicht den Gefallen tun und das Land in einen Laissez-faire-Modus entlassen. Nein, ein Staat, der Schulden erlassen bekommt, muss hinnehmen, dass die Kreditgeber darauf achten, wie es mit dem Land weitergeht. Schließlich soll sich dieses Investment lohnen, sprich: Griechenland darf dann nicht mehr auf weiteres Geld der anderen angewiesen sein. Eine Überwachung Athens nach dem Abschluss des Programms wird es ohnehin geben. So war es auch bei anderen Programmländern, etwa Irland oder Portugal. Niemand vergibt leichtfertig Kredite, schon gar nicht ohne Bedingungen. Und diese muss Tsipras eben auch nach diesem Sommer erfüllen.

Das Geld des IWF werden die Europäer jedoch zum letzten Mal brauchen - aus rein politischen Gründen. Der bisherige Rettungsfonds ESM soll bald zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Dieser ist Teil einer dringend nötigen Reform der Währungsunion. Und Griechenland ist dafür so etwas wie ein Mahnmal. Denn hinter dem Problem mit Athen verbirgt sich eine größere Gefahr: Jene Währung, die Europas Staaten noch stärker miteinander verbinden sollte, hat in Wahrheit zu einem schweren Zerwürfnis des Kontinents geführt. Diese Spaltung muss Europa nun überwinden.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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