Kommentar:Der lädierte Pakt

Niemand ist in diesen Tagen glücklich mit dem europäischen Stabilitätspakt, am wenigsten die Franzosen.

Nikolaus Piper

(SZ vom 15.07.03) - Sie fühlen sich in der derzeitigen Wirtschaftskrise besonders eingeengt durch die Vorschrift, wonach das öffentliche Defizit die Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten soll.

Strategische Komponente

Zwar haben die Deutschen, die den Pakt ja erfunden haben, objektiv noch viel größere Schwierigkeiten mit der Verschuldung ihres Staates, aber in Frankreich hat das Zerren an den Fesseln des Paktes eine strategische Komponente.

Schritt für Schritt wird so der Stabilitätspakt weiter beschädigt; eines der wichtigsten institutionellen Fundamente des Euro ist damit gründlich lädiert.

Einen Schritt weiter

Jetzt ist der französische Staatspräsident Jacques Chirac wieder einmal einen Schritt weiter gegangen. In seiner Rede zum Nationalfeiertag forderte er zum ersten Mal explizit eine befristete "Lockerung" des Pakts.

Dies kann man nur so deuten: Es geht jetzt nicht mehr nur darum, die Anwendung des Paktes flexibel zu handhaben - das geschieht bereits heute -, es geht darum, die Drei-Prozent-Regel eine Zeit lang ganz auszusetzen.

Denkt man den Vorschlag zu Ende, dann müsste man die Regeln immer genau dann aussetzen, wenn die Zeiten schlecht sind und man den Pakt eigentlich bräuchte. Man könnte ihn dann eigentlich auch gleich ganz aufgeben.

Reform unabweisbar

Der Vorstoß Chiracs zeigt: So wie der Pakt heute gebaut ist, und so wie er angewandt wird, erreicht er sein Ziel nicht. Er schränkt die Euro-Mitglieder tatsächlich zu stark sein, ohne dass er langfristig Anreize für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung böte. Das mindert seine Glaubwürdigkeit. Eine Reform ist unabweisbar geworden.

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