Kommentar:Der Kampf lohnt sich

Lesezeit: 2 min

Vor genau 60 Jahren hat der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard gegen großen Widerstand das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung durchgebracht. Es ist heute aktueller denn je - gerade auch in der Internetwelt, die einen Hang zum Monopol hat.

Von Caspar Busse

Die Wirtschaft leistete enormen Widerstand, mit allen Mitteln. Fritz Berg, der erste Präsident des Bundesverbands Deutscher Industrie (BDI), sah bereits das Ende des freien Unternehmertums kommen. Doch Ludwig Erhard, damals Bundeswirtschaftsminister, später Kanzler, setzte sich am Ende durch: Anfang 1958, vor genau sechzig Jahren, trat das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, kurz GWB, in Kraft. Es soll seitdem Kartelle und Missbrauch von Marktmacht verhindern, Wettbewerb garantieren. CDU-Mann Erhard, ein studierter Wirtschaftswissenschaftler, zeigte sich unbeirrt, Monopole und Absprachen zwischen Unternehmen, so sagte er immer wieder, seien gut für die Unternehmer, aber sehr schädlich für die gesamte Volkswirtschaft und die Verbraucher.

Gerade die Internetökonomie hat eine verhängnisvolle Tendenz zum Monopol

In der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, ist die Bedeutung des GWB nicht hoch genug einzuschätzen - auch nach sechs Jahrzehnten. Viele Staaten nahmen und nehmen sich daran ein Vorbild. Ludwig Erhard hatte recht, als er die Wettbewerbsregeln als "Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft" bezeichnete. Denn das GWB ist in der Tat der Grundpfeiler, der den "Wohlstand für alle" (so der Titel von Erhards Buch) möglich macht. Gerade in Deutschland hatten Kartelle eine lange Tradition, im Kaiserreich gab es in der Industrie kaum Wettbewerb, später haben die Nationalsozialisten auf große Unternehmen und Monopole gesetzt. Umso grundlegender war der Schwenk, den Erhard in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durchsetzte.

Marktwirtschaft funktioniert nur mit Konkurrenz. Es lohnt sich, das Prinzip kompromisslos zu verteidigen - gegen alle Versuche, Wettbewerb zu umgehen, auszuhebeln oder abzuschaffen. Davon gibt es genug, Gefahr droht auch heute von vielen Seiten. Das durchaus bedingungslose Beharren auf Wettbewerb ist nach wie vor sehr wichtig für unsere Wirtschaftsordnung - das gilt gerade auch heute angesichts der Digitalisierung und des rasanten technologischen Wandels.

Das größte Problem für den freien Wettbewerb ist die Internetökonomie. Denn die hat eine verhängnisvolle Tendenz zum Monopol. Die großen US-Konzerne wie Google, Amazon oder Facebook setzen ganz neue Regeln. Wer über die meisten Daten verfügt, hat schnell die größte Macht, alle anderen aber haben das Nachsehen. Im Netz gilt das Motto: "The winner takes it all." Wer schon groß ist, wird immer größer und diktiert am Ende den Verbrauchern die Bedingungen. Widerstand zwecklos. Aber Konzerne, so groß sie auch sein mögen, dürfen nicht über den Kartellbehörden stehen.

Das Bundeskartellamt (das mit dem GWB 1958 ins Leben gerufen wurde) ist alles andere als untätig, und doch wirkt es manchmal seltsam machtlos. Auseinandersetzungen, wie sie das Bundeskartellamt mit Lufthansa, Booking.com, Amazon oder Facebook führt oder geführt hat, sind aber richtig und wichtig.

Auch sonst bilden Unternehmen immer wieder heimlich Kartelle, um die Preise künstlich hoch zu halten und damit letztlich den Verbrauchern zu schaden. Ob Bierbrauer, Zuckerproduzenten, Hersteller von Wurstwaren oder Matratzen - sie alle sind bereits ins Visier des Kartellamts geraten. Seit 2000 gibt es die sogenannte Kronzeugenregelung: Danach kann derjenige, der zuerst ein Kartell anzeigt, straffrei davonkommen. Das sorgt für den notwendigen Anreiz, sich zu offenbaren. Seit Jahren fest gefügte Kartelle werden so plötzlich instabil. Immer mehr Unternehmen führen seitdem interne Compliance-Vorschriften ein, die Kartellversuche bestrafen.

Gefahr droht auch von der Politik. Immer wieder sollen Ausnahmen gewährt werden, sei es zum Schutz von Arbeitsplätzen oder um die Schaffung von sogenannten nationalen Champions zu ermöglichen. Gerade in Zeiten der Globalisierung und eines weltweiten Konkurrenzkampfes wollen sich auch Industrieländer gegen unliebsame (und meist günstigere) Konkurrenz abschotten. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass langfristig funktionierender Wettbewerb, natürlich zu fairen und gleichen Bedingungen, der beste Garant für sichere Jobs ist.

Politiker aber glauben oft, sie machten es besser. 2016 hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel per Ministererlaubnis die Übernahme von Tengelmann durch den Konkurrenten Edeka größtenteils durchgewunken, obwohl das Kartellamt diese zuvor strikt untersagt hatte. Das Ergebnis der Intervention ist nun noch mehr Konzentration im ohnehin von wenigen Konzernen beherrschten Lebensmittel-Einzelhandel.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: