Kommentar:Bye-bye, Bernie

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Die Formel 1 braucht einen Neuanfang. Vor allem einen neuen Chef. Jetzt wäre die beste Gelegenheit dafür, aber der Staatsfonds aus Katar, der die Rennserie übernehmen will, will Ecclestone behalten. Warum nur?

Von Björn Finke

Ein Richter in London bezeichnete den Vorstandschef dieses Konzerns als "nicht verlässlich oder vertrauenswürdig". Ein Gericht in München stellte ein Bestechungsverfahren gegen ihn zwar ein, aber nur gegen eine rekordverdächtige Geldauflage von 100 Millionen Dollar. Jener Top-Manager, dessen Unternehmen ein weltbekanntes Produkt anbietet, inszeniert sich gerne als arroganten und skrupellosen Macher. Während andere Firmen viel Wert darauf legen, sich als sozial, verantwortungsbewusst und nachhaltig zu präsentieren, schmäht der 84-Jährige öffentlich die Demokratie und pfeift auf Menschenrechte.

Unvorstellbar im 21. Jahrhundert? In jedem normalen Unternehmen ist so etwas tatsächlich unvorstellbar. So ein Vorstandsvorsitzender wäre schon längst gefeuert worden. Doch Bernie Ecclestone, Chef des weltumspannenden Formel-1- Imperiums, sitzt weiter am Steuer. Seit fast vier Jahrzehnten managt er die Rennserie, die zuletzt 1,7 Milliarden Dollar erlöste. Und er denkt gar nicht daran, als Rentner sein Vermögen zu genießen. Aber nun bietet sich womöglich eine gute Gelegenheit, den streitbaren und umstrittenen Senioren abzuservieren.

Ecclestone führt die Rennserie wie eine Mischung aus Gutsherr und Mafiapate

Unfassbarerweise sieht es allerdings so aus, als würde der Brite auch diesmal wieder die Oberhand behalten. Das wäre schlimm für den Ruf der Formel 1. Und es könnte sogar die wirtschaftliche Zukunft des Rennzirkus gefährden.

Ein Staatsfonds aus Katar arbeitet zusammen mit einem New Yorker Sportkonzern gerade an einem Übernahmeangebot für die Formel 1. Das Duo will dem Großaktionär CVC, einem Finanzinvestor, dessen Anteil abkaufen. So ein Eigentümerwechsel wäre ein wundervoller Anlass, um an der Spitze der Rennserie einen jüngeren, weniger skandalbehafteten Chef einzusetzen. Um dem Sport-Unternehmen eine moderne, klare Führungsstruktur zu verpassen, in der nicht alle Macht bei einem Strippenzieher liegt.

Einem Strippenzieher, der nach dem Prinzip "Teile und herrsche" regiert. Dem immer wieder vorgeworfen wird, er trickse Geschäftspartner mit dubiosen Vertragsklauseln aus, lüge, drohe, besteche zur Not auch.

Allerdings sollen die Bieter dem ewigen Formel-1-Impresario Ecclestone bereits signalisiert haben, dass er an Bord bleiben könne. Was ihnen das Wohlwollen des Paten sichern dürfte.

Dieser 84-Jährige genießt bei vielen Rennställen hohes Ansehen. Er war es schließlich, der den Nischensport für reiche Enthusiasten in ein Milliardengeschäft verwandelte. Ecclestone erkannte als Erster, wie viel Geld mit Bandenwerbung, VIP-Logen und Fernsehübertragungen zu machen ist. Er handelte lukrative Verträge aus, die den Rennställen saftige Einnahmen bescherten und ihn nebenher zum Milliardär beförderten.

Dank dieses Dollarsegens verzieh ihm die Formel-1-Gemeinde seinen autoritären Führungsstil, seine undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen, seine rufschädigenden Äußerungen. Zum Beispiel so medienwirksame Aussagen wie "Demokratie ist Zeitverschwendung" oder "Wir sind nicht so etwas wie die Mafia. Wir sind die Mafia". Ecclestone, diese Mischung aus Gutsherr und selbst ernanntem Mafiapaten, sorgte ja dafür, dass die Motorsport-Familie nicht darben muss.

Doch ihre besten Zeiten hat die Formel 1 hinter sich: Beim Rennen im österreichischen Spielberg am Wochenende waren nur halb so viele Besucher wie im Vorjahr. Die Zahl der jungen Formel-1-Zuschauer bei den Sendern RTL und Sky in Deutschland sank in den vergangenen fünf Jahren um dramatische 40 Prozent. Und trotz der Milliardeneinnahmen der Rennserie schreiben die meisten Teams Verluste. Die Kosten, um konkurrenzfähige Autos zu entwickeln, sind gestiegen; zugleich schüttet Ecclestone - oder "Mr. E.", wie ihn seine Entourage nennt - den Großteil der Einnahmen an erfolgreiche und traditionsreiche Rennställe wie Mercedes, Red Bull oder Ferrari aus.

Kleinen Teams fehlt daher das Geld, um auf der Piste mitzuhalten. Die geschäftsschädigende Folge: Langeweile.

Reformen sind also dringend nötig. Eine gerechtere Verteilung der Einnahmen sowie neue Regeln und technische Vorgaben könnten die Rennen wieder spannender machen und Fans zurückholen. Außerdem muss sich die Formel 1 stärker um jüngere Zuschauer bemühen. Aber in so neumodische Sachen zu investieren wie in Marketing über soziale Netzwerke, kommt Ecclestone nicht in den Sinn. Der frühere Gebrauchtwagenhändler hält das Internet für überschätzt.

Die Rennserie braucht einen Neuanfang: eine neue Strategie - und einen neuen Chef.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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