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Es ist völlig unverständlich, warum CDU, CSU und FDP dem millionenfachen täglichen Steuerbetrug an der Ladenkasse Vorschub leisten wollen. Sie schwächen so den Staat und schädigen die Demokratie, die sie verteidigen sollten.

Von Michael Kläsgen

Das Kassengesetz ist, so wie es in zwei Wochen kommen soll, im Kern unbrauchbar. Es wird nicht wirklich helfen, das ganze Ausmaß des tagtäglichen Steuerbetrugs in Restaurants und Fußballstadien zu unterbinden. Kein Wirt, kein Friseur, kein kleiner Bäcker ist dazu verpflichtet, eine fälschungssichere Kasse aufzustellen. Eine Buchführung per Hand ist weiterhin möglich. Der Staat duldet, so unglaublich das ehrlichen Steuerzahlern auch erscheinen mag, weiter Betrug und Steuerhinterziehung an der Kasse. Um so unverständlicher ist es, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nun per Brief an den Finanzminister darauf pocht, in letzter Sekunde weitere Ausnahmen in dem ohnehin löchrigen Gesetzeswerk durchzusetzen - und ihm CSU und FDP dabei applaudieren. Sie machen sich damit zu Fürsprechern von Lobbyverbänden, die unlautere Absichten hegen, diese aber zu kaschieren versuchen.

Die Lobbyisten argumentieren, die Bonausgabepflicht bringe einen Wust an Bürokratie und schade wegen der vielen neuen Quittungen der Umwelt. Beides ist nicht stichhaltig. Am Bezahlvorgang ändert sich nichts. Bäcker oder Friseur reichen dem Kunden lediglich einen Bon. Das ist, um den grassierenden Steuerbetrug zu bekämpfen, unerlässlich. Der Bon dokumentiert, dass die finale Buchung auf einer fälschungssicheren Kasse gemacht wurde. Der Betreiber stellt damit unter Beweis, seine manipulationssichere Kasse nicht nur zur Zierde aufgestellt zu haben, sondern sie auch zu nutzen. Und er belegt, dass er den Zahlvorgang nicht gelöscht hat.

Es muss ein Ende haben, dass Unternehmen Geld an der Kasse und am Staat vorbei schleusen

Dieser Bon darf von Beginn kommenden Jahres an nicht mehr mit gesundheitsschädlichen Weichmachern beschichtet sein. Jahrelang regte sich über die Chemikalie Bisphenol A kaum jemand auf. Jetzt handelt die Regierung endlich und setzt, längst überfällig, eine EU-Verordnung um. Sie tut damit etwas für Mensch und Umwelt. Die Lobbyverbände verschweigen ihrerseits, jahrelang gesundheitsschädliche Chemikalien unters Volk gebracht zu haben. Stattdessen klagen sie über Umweltschäden, die durch die zusätzlichen Kassenzettel entstünden. Das ist ein leicht zu durchschauender Versuch, den eigenen Interessen ein grünes Deckmäntelchen überzuziehen.

Wenn ihnen wirklich an der Umwelt läge, hätten sie längst dafür gesorgt, dass die Bons digitalisiert worden wären - so wie es in anderen Ländern Europas seit Langem Usus ist. Das aber haben sie nicht getan, obwohl sie seit Jahren wissen, dass das Gesetz kommt. Der Grund für ihre Zurückhaltung ist offensichtlich: Sobald der Bon elektronisch erfasst wird, ist Betrug kaum mehr möglich.

Es stimmt schon, Müll ist ein Problem. Dieser Missstand ist aber angesichts des gigantischen Ausmaßes des tagtäglichen Steuerbetrugs an der Kasse verschwindend klein. Der Cum-Ex-Skandal um fingierte Dividendengeschäfte gilt als einer der größten Steuerskandale der Bundesrepublik. Was jedoch millionenfach an Kassen im Friseursalon und in der Kneipe am Fiskus vorbeigeschleust wird, ist in der Summe um ein Vielfaches höher. Der Kassenverband selber beziffert den Schaden für den Fiskus auf 50 bis 70 Milliarden Euro jährlich. Denn dem Staat entgehen nicht nur Umsatzsteuer, sondern auch Einkommen-, Lohn-, Gewerbe-, Körperschaft-, Kirchensteuer und der Soli. Das Geld, das dem Staat entgeht, kann er nicht in Schulen, Schwimmbäder, Krankenhäuser und in öffentliche Infrastruktur allgemein investieren.

Wer Angst vor dem Gesetz hat, sollte ins Ausland schauen

Wer Verständnis für ein bisschen Schummelei mit dem Kassenbon hat, verkennt den volkswirtschaftlichen Schaden, den der Betrug in seiner Gesamtheit zur Folge hat. Dieser Betrug höhlt den Glauben an Steuergerechtigkeit aus und schwächt den Staat. Unattraktive öffentliche Einrichtungen machen ein Land, eine Stadt unattraktiv. Umgekehrt sorgt eine intakte Infrastruktur für Zufriedenheit und sozialen Zusammenhalt. Wer betrügt, unterminiert das, der schadet dem Auftrag des Rechtsstaates, alle gleich zu behandeln und letztlich der Demokratie. Umso unbegreiflicher ist es, wenn sich führende Politiker zum Werkzeug leicht durchschaubarer Kampagnen von eigennützigen Lobbyisten machen lassen.

Niemand muss Angst haben vor diesem Gesetz. Weder droht Händlern das Ende, noch wird für Konsumenten alles teurer und umständlicher. Ein Blick ins Ausland lohnt sich. Deutschland ist ja eines der letzten Länder in Europa, in denen die Politik den Betrug an der Kasse noch flächendeckend duldet. In Österreich etwa gilt die Pflicht zur manipulationssicheren Kasse seit 2015. Auch dort war die Nervosität vor der Einführung groß. Am Ende verzeichneten ganze Branchen, die sich vorher kleingerechnet hatten, einen enormen Umsatzzuwachs. Der erhöhte nicht nur das Steueraufkommen, sondern beförderte auch Investitionen. Davon wiederum profitierten Kunden und Beschäftigte. Im Idealfall fügen sich auch in Deutschland die Dinge so.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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