Kommentar:Ausgeliefert

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Das Bundeskartellamt hat vor, den Milchmarkt aufzumischen. Vor allem die Molkereien und Großbauern wird das unter großen Druck setzten. Andere könnten von dem Eingreifen der Behörde allerdings auch profitieren.

Von Silvia Liebrich

Es ist ruhig geworden um die Milchbauern. Völlig zu Unrecht. Denn die Probleme, mit denen viele kämpfen, sind bei Weitem nicht ausgestanden. Die Milchkrise ist eine Krise in der Wiederholungsschleife - sie kommt garantiert alle Jahre wieder. Deshalb ist es gut, dass sich das Bundeskartellamt die Branche nun genauer angeschaut hat. Auch wenn das Ergebnis so manchem nicht gefallen mag: eine solche Analyse ist längst überfällig.

Denn es kann nicht sein, dass alle Jahre wieder die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, um finanziell angeschlagene Milchbauern zu retten. Die Milchbranche steckt in einer tiefen Strukturkrise, die sich nicht mit regelmäßigen Finanzspritzen beheben lässt. Dazu bedarf es eines tief greifenden Wandels. Und wenn der nicht von selbst in Gang kommt, muss die Kartellbehörde den Anstoß dafür geben. Dafür ist sie da.

Am Anfang steht dabei immer eine Bestandsaufnahme und die fällt insbesondere für die Molkereien nicht positiv aus. Unerwartet kommt das freilich nicht. Die Wettbewerbsexperten bestätigen in ihrer ersten großen Sektoranalyse, was ohnehin schon länger offensichtlich ist: dass Milchbauern kaum eine Wahl haben; dass sie stark abhängig sind von den Molkereien, die sie beliefern. Außerdem haben sie kaum Einfluss auf die Preise, die in der Regel erst dann festgelegt werden, wenn die Ware bereits abgeliefert ist. Einfach die Molkerei wechseln? Für Milchbauer ist das kaum möglich, weil sie vertraglich langfristig gebunden sind.

Das Kartellamt will die Macht der Molkereien beschneiden

All dies sind deutliche Indizien dafür, dass der Wettbewerb nicht richtig funktioniert. Nun geht in der Milchindustrie die große Angst um, dass die Behörde ihr Geschäftsmodell gründlich zerlegen könnte. Diese Furcht ist durchaus berechtigt. Vorerst hat die Bonner Behörde nur ihre Bedenken geäußert und mögliche Lösungswege grob skizziert. Bis zu einer Regulierung ist es also noch ein längerer Weg. Das Problem ist nun erkannt, doch dafür die richtige Lösung zu finden, ist eine ganz andere Sache.

Deshalb ist es richtig, dass das Kartellamt erst einmal auf Dialog mit dem Molkereien setzt, anstatt gleich Regeln festzuzurren. Unklug ist dagegen die brüske Abfuhr, die der Milchindustrie-Verband der Behörde umgehend erteilte. Das Gesprächsangebot auszuschlagen, könnte sich am Ende als großer Fehler erweisen. Was am Ende zählt, ist eine verträgliche Lösung, die Milchbauern und Molkereien zu einem fairen Miteinander verhilft und zugleich ihr Auskommen sichert.

Sicher, an den wiederkehrenden Milchkrisen sind nicht allein die Molkereien schuld. Die weltweit steigende Produktion übt auf deutsche Bauern zunehmend Druck aus. Die Tierhalter sind daran nicht ganz unbeteiligt, weil sie nach dem Fall der Milchquote ihre Produktion in der Hoffnung auf mehr Exporte ausgeweitet haben. Viele haben sich dabei verschätzt und finanziell übernommen. Doch die Molkereien sind ebenfalls ein wichtiges Rädchen im Milchmarktgetriebe.

Das Beziehungsgeflecht zwischen Milchbauern und Molkereien ist historisch gewachsen. Viele Betriebe sind genossenschaftlich organisiert, das bedeutet, die Landwirte sind Teilhaber und dürfen mitreden. Tatsächlich hält sich das Mitspracherecht aber meist in Grenzen. Oft sind es wenige Großbauern, die bei Preisen und Produkten mitentscheiden.

Dieses System gilt es aufzubrechen. Denn das in der Branche übliche Preissystem bevorzugt große Bauern, benachteiligt die kleinen. Es fördert so eine Überproduktion, die politisch unerwünscht ist und staatliche Eingreifen erst notwendig macht. So bekommt beispielsweise ein kleiner Milchbauer mit nur 20 Kühen oft weniger Geld je Liter Milch als sein Kollege mit 200 Tieren. Ein Aufpreis, der sich durch niedrigere Verwaltungskosten nicht rechtfertigen lässt.

Kritisch hinterfragt werden muss auch die Abnahmegarantie, die viele Molkereien abgeben. Das heißt, alles was die Bauern liefern, wird vom Verarbeiter abgenommen. Um die Menge besser zu steuern, muss die Abnahmepflicht abgeschafft werden. Stattdessen brauchen die Erzeuger flexiblere Verträge, die es ihnen erlauben, überschüssige Milch zudem an andere Abnehmer zu verkaufen, was derzeit die Verträge meist nicht zulassen. Milchbauern müssen schnell und flexibel auf das Marktgeschehen reagieren können. Gleichzeitig müssen sie aber auch lernen, mehr Eigeninitiative zu zeigen.

Was die Milchwirtschaft braucht, sind grundlegende Reformen. Denn es läuft etwas grundsätzlich falsch, wenn Erzeuger so effizient produzieren wie noch nie, aber trotzdem nichts verdienen. Ein fairer und transparenter Wettbewerb ist dafür der erste wichtige Schritt.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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