Kommentar:Aus dem Casino

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Bei dem Übernahmekampf um Osram geht es nicht um die Zukunft des Unternehmens. Es geht darum, wer das Pokerspiel um Aktienkurse am besten beherrscht.

Von Thomas Fromm

Seit Wochen tobt ein Übernahmekampf um Osram, und längst geht es dabei nicht mehr um die Zukunft dieses 110 Jahre alten Lichtkonzerns mit seinen rund 26 000 Mitarbeitern. Es geht darum, wer von den Bietern das Pokerspiel mit Aktienkursen, Annahmefristen und Ankündigungen besser beherrscht: amerikanische Finanzinvestoren oder ein österreichischer Chiphersteller namens AMS. Wer es ernst meint und was reine Finte ist? Gar nicht so leicht zu sagen. Ausgerechnet bei Osram (alter Werbeclaim: "Hell wie der lichte Tag") weiß man in diesen Tagen nicht mehr so genau, ob alles so ist, wie es scheint. Oder ob nicht doch gerade eine Menge Nebelkerzen aufgebaut werden. Der Konzern steht jedenfalls ziemlich im Dunkeln.

Man kann sich das Buhlen um Osram schönreden und es so sehen wie die, die meinen, dass der Traditionskonzern auf seine alten Tage noch einmal richtig begehrt wird. Man kann die Sache aber auch nüchtern betrachten: Es geht bei Osram gerade zu wie im Spielcasino. Und egal wie die Sache ausgeht und wer das Unternehmen kauft: Osram und seine Mitarbeiter können bei dem unwürdigen Geschacher nur verlieren. Wenn es richtig schiefläuft, bleibt von dem einst stolzen Glühlampenhersteller nicht mehr sehr viel übrig.

Denn wer gerade Milliarden Euro für das Münchner Unternehmen bietet, tut das nicht, um Osram und seinen Mitarbeitern einen Gefallen zu tun oder in seiner jetzigen Form zu erhalten und zu schützen, sondern um am Ende selbst einen guten Schnitt zu machen. Wer so viel Geld für Osram ausgibt und sich dafür sogar hoch verschuldet, wird eher früher als später weniger profitable Bereiche rasieren, Leute vor die Tür setzen und das, was er nicht braucht, irgendwohin weiterverkaufen. Was nach der Zerschlagung übrig bleibt, muss zügig auf Rendite getrimmt werden. Je höher gerade der Spieleinsatz für Osram in die Höhe getrieben wird, desto unschöner dürften am Ende die Konsequenzen für das Unternehmen und die Mitarbeiter ausfallen. Denn das Geld muss ja irgendwie wieder rein. Der Konzernvorstand kann bei diesem heißen Casino-Ritt nicht mehr viel machen. Außer: zuschauen und hoffen.

Es begann mit einem Angebot von Finanzinvestoren im Juli. Dann wurde es immer wilder

Ein Blick hinein in die Spielhalle bringt interessante Einblicke. Es begann, wie so oft, mit einer Offerte von Finanzinvestoren. Bain und Carlyle boten im Juli 35 Euro pro Osram-Aktie. So weit, so normal. Dann kam AMS aus der Steiermark und bot 38,5 Euro. Die verschuldete Firma aus Premstätten bei Graz ist kleiner als Osram und müsste weitere Milliardenschulden aufnehmen, um die Münchner zu schlucken. So weit, so riskant.

Vor einigen Tagen dann hieß es bei Osram, der US-Finanzinvestor Bain plane ein zweites, diesmal gemeinsames Angebot mit dem Beteiligungsunternehmen Advent - und zwar mit "bedeutsamen Aufschlag". Damit wurde das Spiel immer undurchschaubarer. Denn wie üppig dieser Aufschlag ausfallen soll, weiß niemand. Die Finanzierung dafür soll nicht geklärt sein und es ist nicht einmal sicher, wann und ob überhaupt dieses Angebot jemals kommen wird. Oder ob es nur, wie einige vermuten, eine Finte war, mit der man das Angebot von AMS torpedieren wollte. Dieses läuft am Dienstag aus, die Zeit drängt. Allein die Aussicht auf ein besseres Angebot aber ließ den Wert der Osram-Aktien steigen, was die Sache für AMS schwerer machte. Die Österreicher wussten wohl auch nicht, was sie von einem dritten Angebot halten sollten, also erhöhten sie ihr eigenes am Freitag mal eben von 38,50 auf 41 Euro.

Man weiß ja nie, sicher ist sicher.

Ganz, ganz großes Spiel. Und für Osram und seine Mitarbeiter ein wichtiges Spiel. Es könnte ein Vorgeschmack sein auf das, was da noch auf sie zukommt.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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