Kommentar:Auf geht's, Europa

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Alle reden über 5G. Der neue Mobilfunkstandard ist mehr als die bisherigen Schritte, die das mobile Internet ein bisschen besser gemacht haben. Es ist ein großer Sprung. Wie es aussicht, hinkt Europa mal wieder hinterher. Das ist fatal.

Von Helmut Martin-Jung

Sie haben es schon geahnt bei Samsung: Wenn sich von diesem Montag an die Mobilfunkbranche zu ihrem weltweit größten Treffen in Barcelona versammelt, dem Mobile World Congress, dann wird es nicht, wie so oft in den vergangenen Jahren, überwiegend um neue Smartphones gehen. Also verlegte der koreanische Konzern die Präsentation seiner neuen Top-Geräte einige Tage vor, und er verlegte sie ins Silicon Valley, dorthin also, wo der größte Konkurrent, Apple, seinen Hauptsitz hat. Man könnte das eine Kampfansage nennen.

Worüber in Barcelona hauptsächlich geredet werden wird, ist größer sogar als das große Thema Smartphone. Es ist eine Weiterentwicklung des Mobilfunks, die eine kaum zu überschätzende Auswirkung auf die vernetzte Welt haben wird. 5G, das ist mehr als die bisherigen Schritte, die das mobile Internet jeweils ein bisschen besser gemacht haben. Es ist ein großer Sprung. Man muss ihn allerdings auch tun, diesen Sprung. Doch es sieht, wieder einmal, so aus, als würde die Wirtschaftsregion Europa, die so stark sein könnte, hinterherhinken und allenfalls zaghafte Hüpfer machen.

Das liegt natürlich vor allem daran, dass Europa ein Flickenteppich aus verschiedenen Interessen und Gemengelagen ist. Anstatt dies aber zu überwinden, anstatt zu mehr Gemeinsamkeit zu finden, dem besten Mittel, um im globalen Wettbewerb mit genügend Macht agieren zu können, zerfasert die Union mehr und mehr. Das gilt in der Politik, wo Populisten zunehmend Gehör und Zuspruch finden, wo sich nationalistische und antidemokratische Tendenzen breitmachen. Es gilt aber auch, wenn es um die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Region geht.

Es ist nun einmal so: Die ökonomische Zukunft wird in wachsendem Maß davon bestimmt, wie gut die Akteure die neue Technologie beherrschen und in der Praxis einsetzen. Doch die uneinige Union kommt dabei viel zu langsam voran. Wer auch nur ein wenig Einblick in die Brüsseler Politikszene hat, erkennt auf der einen Seite, dass es zwar das redliche Bemühen gibt, etwa mit dem digitalen Binnenmarkt, ein Gegengewicht zum aufstrebenden Asien und zu den USA zu schaffen. Doch im täglichen Betrieb bleibt zu viel davon auf der Strecke.

Dass es in Europa nicht schnell genug weitergeht, darf aber auch für einzelne Mitgliedsländer keine Entschuldigung sein und besonders nicht für die wirtschaftlich starken. Doch auch Deutschland, Europas stärkste Ökonomie, kommt bei Zukunftstechnologien nicht schnell genug aus dem Quark.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Da ist die urdeutsche Grundskepsis, da ist aber auch die mittlerweile nur noch erschreckend zu nennende Inkompetenz der politischen Klasse in Sachen Informationstechnologie. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, zeigen sich Politiker gerade bei den wichtigsten Themen der Zukunft uninformiert und höchst anfällig für die Einflüsterungen von Lobbygruppen.

Immerhin ist nun wenigstens der Weg frei für die Milliarden des Bundes, die schon seit mehr als einem Jahr bereitgestanden hätten, um die digitale Bildung in den Schulen voranzubringen. Wie sollen die denn der jungen Generation digitale Kompetenzen vermitteln, wenn sie nicht mal eine ausreichend schnelle Netzanbindung haben?

Ein nächster großer Meilenstein ist die Vergabe der Frequenzen für 5G im März. Natürlich werden gewinnorientierte Unternehmen immer schreien, wenn man ihnen höhere Kosten aufbürdet. Doch klar ist auch: Langt der Staat bei den Versteigerungen zu sehr hin, muss er sich nachher nicht wundern, wenn der Ausbau nur zögerlich vonstatten geht. Ein Deal, der möglichst umfassende Abdeckung vor möglichst hohe Einnahmen bei der Auktion stellt, wäre die richtige Herangehensweise. Die Unternehmen brauchen zudem klare Vorgaben, die nicht ständig wieder über den Haufen geworfen werden.

Zu allem Überfluss mischt auch noch die internationale Politik mit. Man darf annehmen, dass der chinesische Technologie-Anbieter Huawei auf dem Mobile World Congress alles versuchen wird, den von den USA geäußerten Verdacht zu zerstreuen, in den Produkten des Konzerns aus Shenzhen könnten Hintertüren oder geheime Schalter eingebaut sein, die zum Beispiel Infrastruktureinrichtungen wie Kraftwerke auf Knopfdruck lahmlegen. In den Hinterzimmern, fernab von den marktschreierisch aufgemotzten Ständen der Hersteller auf der Messe, gibt es also eine Menge zu besprechen.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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