Kolumne Silicon Wadi:Start-up, Smart-up

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2018 lief für Israels High-Tech-Industrie gut, das neue Jahr hält einige Herausforderungen bereit. Es geht auch um Alternativen zum Partner USA.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Der Januar ist der Monat, in dem man noch mit Bilanzen des vergangenen Jahres beschäftigt ist, aber bereits im neuen Jahr steckt und an Zukunftsperspektiven und Plänen bastelt. Für Israels High-Tech-Industrie war 2018 ein erfolgreiches Jahr, auch wenn es kein Rekordjahr war. Es gab mit 103 verkauften Start-ups, für die eine Gesamtsumme von rund zwölf Milliarden US-Dollar bezahlt wurde, zwar weniger Verkäufe als im Vorjahr. Aber dennoch lag laut der jährlichen Studie der Firma IVC Research der Wert höher als in den Jahren 2014 bis 2016.

Der Trend, dass Investoren Start-ups länger halten und erst in einem reiferen Stadium verkaufen, hat sich auch im abgelaufenen Jahr fortgesetzt. Mit Sodastream wechselte eine der bekanntesten Marken im Land den Eigentümer: 3,2 Milliarden US-Dollar legte Pepsi hin. Noch mehr wurde für Orbotech bezahlt, eine Firma, die im Elektronikbereich tätig ist. 3,4 Milliarden ließ sich die kalifornische KLA-Tencor das Unternehmen kosten.

Das neue Jahr begann für Israels High-Tech-Industrie auch mit einigen guten Nachrichten: Israel ist auf den fünften Platz gesprungen im Bloomberg Innovation Index 2019, vor einem Jahr war man noch auf Rang zehn. Den großen Sprung hat das Land der Studie zufolge der Forschungsintensität zu verdanken. In diesem Bereich wird Israel als weltweit führend eingestuft. Weiterhin hoch sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die den Nährboden für die selbst ernannte Start-up-Nation bilden.

Auch wenn die Branche insgesamt mit großem Optimismus ins neue Jahr gestartet ist, so gibt es doch Entwicklungen, die Sorgen machen. Wie der Ende Dezember präsentierte Report der Organisation Start-up-Nation Central und der israelischen Innovationsbehörde gezeigt hat, ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften schon jetzt ein Problem. Mehr als 15 000 Stellen können nicht besetzt werden. Immer häufiger werden Aufgaben ins Ausland verlagert - vor allem in die Ukraine.

In einem aufrüttelnden Appell machte der Chef der Innovationsbehörde, Aharon Aharon, vor wenigen Tagen auf eine andere wichtige Entwicklung aufmerksam. "Wir müssen endlich anerkennen, dass das Rennen um die Führung im Bereich der Technologien, die auf künstlicher Intelligenz beruhen, längst begonnen hat. Wir müssen investieren, sonst werden wir verlieren." Die Investitionen in dem Bereich in diesem Jahr sind laut Aharon entscheidend für die weitere Zukunft des Landes als High-Tech-Standort. Er rief dazu auf, eine nationale Strategie für künstliche Intelligenz zu erarbeiten, für die die Regierung, die Industrie und der Wissenschafts- und Forschungssektor Ressourcen zur Verfügung stellen müssten.

Ami Appelbaum, der Chefwissenschafter im Wirtschaftsministerium forderte, die Start-up-Nation zu einer Smart-up-Nation umzubauen. Man müsse sich mehr auf die Anwendung von Technologien kümmern, da etwa ein Smart Home längst Realität sei und auch in anderen Lebensbereichen intelligente Technologien immer wichtiger würden. Vor allem im Gesundheitsbereich rechnen sich die israelischen Start-ups große Chancen aus, denn das ist ein Wachstumssektor weltweit durch die zunehmend steigende Lebenserwartung in vielen Ländern.

Israels Start-ups konzentrieren sich weiter stark auf den Automobilbereich, in dem ebenfalls künstliche Intelligenz eine immer stärkere Rolle spielt. Entwicklungen von autonomen Fahrmöglichkeiten sind schon in einem so fortgeschrittenen Stadium, dass sie bereits auf israelischen Straßen getestet werden. Es wird auch an Lösungen für Elektroautos, etwa im Ladebereich, getüftelt. Der Sicherheitssektor ist ein weiterer boomender Bereich, der auch in diesem Jahr mit Wachstumsraten rechnet, zumal die Bedrohungen im Bereich Datenschutz zunehmen, wie die Sicherheitslücken selbst bei großen Unternehmen im vergangenen Jahr gezeigt haben. Durch die zunehmende Vernetzung entstehen immer größere Aufgabenbereiche, da die Angriffsmöglichkeiten und Risiken zunehmen. Es gibt aber auch Nischen, etwa der Schutz von Infrastruktur im Bahnbereich. Hier ist die Vernetzung von High-Tech- und Militär in Israel ein Vorteil.

"Es gibt ein sehr starkes Interesse von Chinesen, in Israel zu investieren."

Lösungen für diese speziellen Bedürfnisse anzubieten, darauf setzen viele israelische Start-ups und hoffen damit auch die Zusammenarbeit mit europäischen Firmen auszubauen. Vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen könnten an Dienstleistungen interessiert sein, so die Überlegung von Anbietern in Israel. Denn dort hat auch ein Umdenken stattgefunden: Es muss nicht immer nur der amerikanische Markt sein, auf den man sich konzentriert. Aufgrund der traditionell engen Beziehungen zwischen Israel und den USA war der Fokus vor allem auf eine Kooperation mit den Branchengrößen jenseits des Atlantiks gerichtet. Aber Europa liegt dann doch näher.

Israel will auch stärker mit China zusammenarbeiten und Nutznießer des Konflikts zwischen Washington und Peking sein. "Es gibt ein sehr starkes Interesse von Chinesen, in Israel zu investieren", erklärt Haggai Ravid, Vorstandschef des israelischen Investitionshauses Cukierman & Co. Israel könnte als "Brücke" zwischen China und den USA fungieren.

Die israelischen Firmen im High-Tech-Bereich haben auch Länder in Südamerika im Visier. Premierminister Benjamin Netanjahu will insbesondere die Beziehungen zu Brasilien unter dem neuen Präsidenten Jair Bolsonaro intensivieren.

Der Chef der Innovationsbehörde hat für 2019 folgendes Motto ausgegeben: Investieren und diversifizieren.

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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