Kolumne: Silicon Valley:Abgehoben

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Ein bedeutendes Statussymbol in Silicon Beach ist der Pilotenschein. Nur - wie war das mit der Nachhaltigkeit?

Von Jürgen Schmieder

Der beste Ort, um in Los Angeles ein paar Promis zu sehen: Hawthorne Municipal Airport. Ja, richtig gelesen. Hawthorne Municipal Airport. Natürlich werden Touristen noch immer zu den üblichen Attraktionen wie Walk of Fame, Sunset Strip oder Chateau Marmont gelockt. Der Insidertipp jedoch ist dieser kleine Flughafen im Süden der Stadt, in Laufweite von Space-X und dem Designstudio von Tesla. Wer es sich im Restaurant direkt neben dem Rollfeld gemütlich macht, sieht zum Beispiel Elon Musk, der als Tesla-Chef tatsächlich zu Fuß zu seiner Gulfstream G650 mit dem Kennzeichen N628TS laufen kann. Oder die Sängerin Lady Gaga und den Schauspieler Bradley Cooper, den japanischen Milliardär Yusaku Maezawa und den chinesischen Investor Jia Yueting.

Nun könnte man sagen, es sei ein fürchterliches Klischee, dass Promis ausschließlich in Privatflugzeugen unterwegs sind und deshalb nicht durch die Flughäfen geschleust werden wie das gemeine Volk. Bradley Cooper etwa ließ sich bei der Vermarktung seines Films "A Star is Born" aber tatsächlich vertraglich zusichern, ausschließlich im Privatflugzeug zu Interviews und Premieren zu reisen. Das bedeutendste Statussymbol unter Prominenten und Firmengründern ist übrigens, noch mehr als das eigene Flugzeug, der Pilotenschein: Er steht, neben Reichtum, für Unabhängigkeit, Ehrgeiz und Coolness.

"Wenn ich alleine im Flugzeug sitze, dann denke ich: 'Ich habe das geschafft. Ich bin noch keine 30 Jahre alt und fliege meinen eigenen Jet. Ich bin also keine Versagerin'", sagt Jessica Mah. Sie hat vor zehn Jahren als Studentin die Softwarefirma In Dinero gegründet und ist vor einem Jahr von San Francisco nach Venice Beach gezogen. Die 29-Jährige muss häufig wegen Meetings in den Norden Kaliforniens oder zum Firmensitz nach Portland im Nordwesten der USA, ihre liebsten Urlaubsziele sind Las Vegas, Lake Tahoe, etwa 300 Kilometer nordöstlich des Silicon Valley, und die Pazifikinsel Santa Catalina südwestlich von Los Angeles.

All diese Ziele sind in weniger als zwei Flugstunden von Los Angeles aus erreichbar, für Mah sind sie eine dringend benötigte Abwechslung zum Job: "Bei vielen anderen Hobbys, wie zum Beispiel Golfspielen, denkt man trotzdem andauernd an die Arbeit - im Cockpit denkt man nur daran, sich nicht umzubringen." In gewisser Weise ist es auch eine Abkehr vom Mein-Haus-mein-Auto-mein-Boot-Denken. Die Botschaft ist: Guck mal, ich kann jederzeit dorthin fliegen, wo ich gerade sein will. Vielen gilt das als Zeichen größtmöglicher Unabhängigkeit.

Die Expansion zahlreicher Firmen wie Google, Apple und Facebook sowie erfolgreiche Start-ups wie Luxusvermieter Villaway oder Fotobox-Vermarkter BuzzyBooth haben dafür gesorgt, dass exzessiv zwischen Nord- und Südkalifornien gependelt wird. Die Ideen mögen mittlerweile im Süden in Silicon Beach sein, die Risikokapitalgeber sind aber noch immer zum größten Teil im Silicon Valley angesiedelt. Und die Tech-Branche sucht ja am liebsten nach Lösungen für Probleme, die vor allem sie selbst betrifft und die sie meist selbst zu verantworten hat. Es gibt also neuerdings zahlreiche Hobbypiloten. Das hat natürlich auch die Luftfahrtindustrie als Geschäftsmodell für sich entdeckt. Womit der Kreislauf komplettiert wird: Die Tech-Branche löst ein Problem und kreiert dabei ein neues, dessen Lösung wiederum sehr lukrativ ist. "Mittlerweile kommen 50 Prozent der Flugschüler aus der Tech-Branche, vor fünf Jahren war es kein einziger", sagt Rymann Winter von Proteus Air Service, Flugschule und Flugzeugverleih befinden sich am Santa Monica Municipal Airport.

Eine Flugstunde kostet schnell mal 1500 Dollar

Es ist das Jetset-Leben im eigenen Jet, wobei: Die Millennial-Generation will nicht mehr unbedingt kaufen, sondern mietet auch gern mal. Das können Autos und Häuser sein - oder eben das passende Flugzeug. "Wir haben Kunden, die fliegen regelmäßig mit unseren Jets, haben aber weder Führerschein noch ein eigenes Auto", sagt Winter. So wie sie über Fahrdienstvermittler das benötigte Auto bestellen, probieren sie nun verschiedene Flugzeuge aus. Ganz billig sind die Flieger auch nicht: Eine SR22 mit fünf Sitzplätzen kostet 630 000 Dollar, eine Vision SF50 mit bis zu acht Sitzen mehr als zwei Millionen.

Ein günstiges Transportmittel ist der eigene Jet aber auch dann nicht, wenn man nur mietet - insbesondere für jemanden, der drei Mal pro Woche von Los Angeles nach San Francisco und wieder zurückmuss und am Wochenende schnell noch nach Palm Springs fliegen will. Eine Flugstunde inklusive aller Gebühren kostet in einem Jet wie dem Vision SF50 mehr als 1500 Dollar. "Es ist schon ein bisschen verrückt, drei Mal in einem Monat nach Vegas zu fliegen - es ist aber auch so ziemlich der einzige Luxus, den ich mir gönne", gibt Jessica Mah zu. Für den Pilotenschein inklusive aller Lizenzen muss man etwa 30 000 Dollar zahlen, die Ausbildung ist langwierig, die Prüfungen sind streng. "Die Leute betrachten es als Herausforderung", sagt Fluglehrer Winter.

Was freilich stört, das ist die Frage nach der Nachhaltigkeit - in einer Branche, die ständig darüber redet, die Welt verbessern zu wollen. Vielleicht hilft es, dass Elon Musk, der ja als Schutzpatron aller Weltverbesserer gilt, in Laufweite des Hawthorne Municipal Airport einen Elektroautobauer und eine Raumfahrtfirma leitet. Er hat schon angekündigt, in ein paar Jahren ein elektrisches Flugzeug vorstellen zu wollen.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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