Kolumne: Das deutsche Valley:Heute mal ein Späßle

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(Foto: Bernd Schifferdecker/Bernd Schifferdecker)

Manchmal wirkt es so, als ob Politiker die Herausfor­de­run­gen der Digitalisierung nicht ernst nehmen. Das täuscht.

Von Marc Beise

Mit deutschen Ministerpräsidenten kann man Spaß haben, wirklich. Okay, zumindest ein bisschen Spaß. Neulich, beim SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin, wurde Markus Söder, der Franke in Bayern, gefragt, wie er es denn mit der Digitalisierung halte und ob er dafür oder dagegen sei, beim Ausbau des neuen 5G-Mobilfunknetzes, das die entscheidende nächste Stufe der Digitalisierung bedeutet, mit dem chinesischen Konzern Huawei zu kooperieren? (US-Präsident Trump ist bekanntlich strikt dagegen, die deutsche Kanzlerin pflegt ein entschiedenes Sowohl-als-auch.) Darauf Söder: "Ich finde es total beeindruckend, dass wir jetzt über 5G streiten, obwohl 4G noch überhaupt nicht funktioniert. Das ist eine der großen Peinlichkeiten unseres Landes. Wir mandeln uns immer als die allergrößten Technologie-Freaks auf, und wenn wir mal ehrlich sind, sind manchmal Rauchzeichen und Trommeln wahrscheinlich effektiver."

Da wurde herzlich gelacht, nur meinte der Söder das ernst: "Wenn wir das Thema nicht in den Griff bekommen, dass jeder gern Mobilfunk haben will, aber wenn nur irgendwo die Gefahr eines Mastes auftaucht, dann den Untergang des Abendlandes sieht, wenn wir da die Köpfe nicht frei machen, dann können wir 5G nicht bekommen." Denn 5G bedeute "nichts anderes als ein Masten-Massaker, wenn ich das mal so sagen darf. Also erst mal 4G, dann bei 5G bitte genau hinschauen, nichts ausschließen": Merkel-Kurs eben.

Funkmasten hin oder her, in Rheinland-Pfalz freuen sie sich einfach, dass Kaiserslautern - wo im Himmel liegt Kaiserslautern? - eine der begehrten 5G-Modellregionen in Deutschland wird. Damit fließt ein hoher Millionenbetrag für den Ausbau des hochleistungsfähigen mobilen Internets in die Region. "Kaiserslautern erhält damit einen enormen Schub", sagt SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, und in der Tat wird heute schon in der Pfalz grenzüberschreitend mit dem Saarland auf höchstem Niveau in Sachen künstliche Intelligenz geforscht.

Der SPD-Frau kommt der 5G-Zuschlag sehr zupass, hat sie doch ein "modernes, vernetztes Rheinland-Pfalz" zur Chefsache gemacht. Das sagen zwar immer alle Chefs, ohne dass sich dann wirklich etwa täte (zur Erinnerung: Langzeitkanzlerin Angela Merkel hat schon vor Jahren die Bildungspolitik und die Klimapolitik zur Chefsache gemacht: und? Eben!), aber Dreyer hat der Ankündigung auch Strukturen folgen lassen: Sie gründete das bundesweit erste Digitalisierungskabinett und leitet es auch selbst. Dort werden die digitalen Aktivitäten aller Ministerien konzentriert, debattiert und entschieden.

Auch im Saarland hat der junge Ministerpräsident Tobias Hans (Bundesforschungsministerin Anja Karliczek: "5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig." Hans: "Doch, wir brauchen an jeder Milchkanne 5G.") in der Staatskanzlei einen Bevollmächtigten für Innovation und Strategie etabliert: Ammar Alkassar, der selbst mal erfolgreicher Gründer war und in der Szene bestens vernetzt ist. Der Mann sagt Sätze wie: "Wir müssen große Brands wie Google oder Symantec herbekommen" - ins Saarland! Meine Güte.

"Das Programm wird Wellen schlagen, in Deutschland und weit darüber hinaus."

Da hat es der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann qua Wirtschaftskraft und Tradition seines Landes leichter. Kürzlich war Kretschmann im Schauspielhaus Stuttgart zu Gast beim Spötter Harald Schmidt. Den interessierten am grünen Landes-Senior auch dessen Erfahrungen als Auslandsreisender. Frage: "Weil Sie jetzt zum Beispiel in Kalifornien waren: Gibt es Parallelen zwischen Kalifornien und Baden-Württemberg?" Antwort: "Würd ich sagen: Ja. Also, erstens: sehr grün." (Lacher) "Und ich würd einfach mal sagen: Der ganze Spirit von dort, den hatten wir ja auch ... vor 100 Jahren." (Lacher) Und weiter: "Wir müssen den Gründergeist eben wieder ein bisschen beleben." Frage: "Wenn das neue Auto kommt, dann wird es wieder in Baden-Württemberg gebaut?" Antwort: "Sagen wir so: In Kalifornien bauen die Blech um ein Smartphone, und bei uns ist das umgekehrt: ein Smartphone ins Blech. Aber letztlich muss ein Auto gut fahren." Tatsächlich ist Kretschmann, zum Leidwesen seiner Frau und einiger Traditionswähler, mehr mit dem Dienst-Daimler in der Autoindustrie unterwegs als zu Fuß im Wald.

Ob im Süden oder Westen oder anderswo in der Republik - irgendwie sind heute alle Bundesländer digital angefasst, manche mehr, manche weniger. Allen voran wieder mal - okay, nervig - Klassenprimus Bayern. Dort hat MP Söder im August ein geplantes Programm zum Ausbau von Forschung und Innovation mal eben von einer auf zwei Milliarden Euro verdoppelt. Damit soll ein in ganz Bayern verbreitetes Netzwerk zu künstlicher Intelligenz (KI) finanziert werden, die Sanierung etlicher Hochschulen, mehr Quantentechnologie, das Anwerben internationaler Spitzenwissenschaftler, mehr Forschung zu alternativen Antrieben und mehr Exzellenzuniversitäten. "Das Programm wird Wellen schlagen, in Deutschland und weit darüber hinaus", sagt Söder in der ihm eigenen Bescheidenheit. Geplant sind im Zuge der Hightech-Offensive 10 000 neue Studienplätze, davon 5000 in der Informatik. Auch 1000 neue Professuren sollen entstehen, davon 100 im Bereich künstliche Intelligenz. Das bayerische KI-Zentrum soll in München angesiedelt sein, mit 22 neuen Lehrstühlen.

Kollege Kretschmann allerdings ist, sorry, schon weiter: Das Cyber Valley zwischen Tübingen und Stuttgart ist bereits eines der größten KI-Projekte Europas, unterstützt von Konzernen wie Amazon, BMW, Bosch, Daimler, Porsche und ZF. Wer so viel in der Tasche hat, kann auch mal ein Späßle machen.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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