Kolumne: Augsteins Welt:West-östlicher Zwist

Lesezeit: 3 min

An dieser Stelle schreibt künftig jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Donald Trump hat mit seiner Personalpolitik bewirkt, dass er ohne kluge Berater dasteht. Das Missverhältnis mit China ist aber nicht seine Erfindung.

Von Franziska Augstein

Der US-Präsident Richard Nixon sagte Anfang der 1970er-Jahre im privaten Gespräch mit seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger, er wolle gegenüber der Sowjetunion wirken, wie wenn er völlig unberechenbar sei, irre, ein "madman", jederzeit bereit, einen Atomkrieg auszulösen. Das würde Angst schüren und den USA helfen, ihre strategischen Interessen im Kalten Krieg durchzusetzen. Derzeit sitzt im Weißen Haus jemand, der tatsächlich unberechenbar ist. Das hat allerdings den Effekt, dass Donald Trumps Twittermeldungen weltweit bloß mit Kopfschütteln wahrgenommen werden; beruhigend ist lediglich, dass Trump an einem dritten Weltkrieg offenbar nicht interessiert ist.

Die USA mit ihren 330 Millionen Bürgern sind nach wie vor die stärkste Wirtschaftsnation der Welt. Mit diesem Riesen wollen international arbeitende Unternehmen es sich nicht verscherzen. Der Präsident der USA hat verfassungsgemäß größten Einfluss - zur Not mittels "executive orders", mit denen er den Kongress übergehen und seinen Willen in Kraft setzen kann. Trumps Ansichten werden also umgesetzt. Trump hängt der Ansicht an, Einfuhren in die USA würden seinem Land eher schaden als nutzen. Im Besonderen hält er Importe aus China für des Teufels Ware und hat Sanktionen erlassen.

Betroffen ist der chinesische IT-Konzern Huawei, weltweit führend bei der Entwicklung der Telekommunikation. Noch im Januar dieses Jahres hat Andrew Parker, der Chef des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, erklärt, aus Sicht des MI5 gebe es keinen Grund zu der Annahme, "der Informationsaustausch" mit den Kollegen in den Vereinigten Staaten werde behindert, wenn Großbritannien Huaweis Angebot nutze. Daraus ließ sich folgern: Was ein Geheimdienst in Ordnung findet, darf generell benutzt werden.

Das hat sich mittlerweile geändert. Im Mai hat das amerikanische Handelsministerium den Ukas ausgegeben, in den USA sei nicht mehr gelitten, wer an Huawei liefere. Das hat im Juni John Sawers, früherer Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, in der Financial Times kommentiert: Huawei habe bisher verlässliche Zulieferer "entscheidender Teile" gehabt, so etwa die Semiconductor Manufacturing Company in Taiwan. Das bedeutete, dass man mit Huawei habe arbeiten können. Seitdem der Bannstrahl der USA gegen alle gerichtet ist, die Huawei beliefern, ist das Unternehmen für Geheimdienste nicht mehr durchsichtig. Folglich wird wohl kein westliches Land seine Telekommunikation mithilfe von Huawei auf Vordermann bringen. Das gilt sicherlich auch für Deutschland, wo das 5G-System mit Produkten von Huawei schneller hätte aufgebaut werden können als mithilfe von Nokia oder dem schwedischen Konzern Ericsson. Im Mai hat Huawei offiziell mitgeteilt, die Firma kämpfe ums Überleben.

Auch in China gibt es eine Kluft zwischen dem, was gesagt wird, und der Realität

Immerhin ein großer Kunde bleibt: Russland. Das hat ein Insider jemandem vom Carnegie Moscow Center so erklärt: "Wir werden entweder von den USA oder von China abgehört, also wählen wir das kleinere Übel." Die Beziehungen zwischen Russland und China waren nie besonders gut. Anfangs ein Adept der Sowjetunion, hat Mao sich frühzeitig von Moskau gelöst. Seither herrschte mal mehr, mal weniger offene Feindschaft. Schlechte US-Diplomatie macht es möglich, dass China und Russland einander in die Arme getrieben werden. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern betrug 2019 etwa das Doppelte von dem zwischen Deutschland und Russland. Chinas Investitionen in den USA beliefen sich 2016 auf 45 Milliarden US-Dollar. 2019 waren es bloß noch ungefähr fünf Milliarden Dollar.

Die Regierung in Peking wird zu Recht getadelt. Im Westen werfen die meisten leider viele Probleme in einen Topf. Der Umgang mit den muslimischen Uiguren, deren einzelne Angehörige üble Attentate verübten, ist verwerflich, ist vor allem übersteigerter Furcht vor Terrorismus zuzuschreiben. Dass Peking die "Sonderverwaltungszone" Hongkong per Gesetz komplett in seine Gewalt gebracht hat, ergibt sich hingegen aus obwaltenden außenpolitischen Umständen.

Xi Jinping will nicht die Welt erobern. Er muss einlösen, was er versprochen hat: China aus der Scham befreien. Dieses große Land mit seiner jahrtausendealten Kultur wurde im 19. Jahrhundert von den Briten ausgenommen. Im 20. Jahrhundert wurden Teile Chinas von Japan eingenommen. Jeder in der Spitze der chinesischen KP kennt die Landesgeschichte aus dem Effeff. Deshalb hat Xi gesagt, bis 2049 werde China weltweit führend sein. Das war eine Deklaration, mehr nicht.

Nehmen wir das Projekt der "Neuen Seidenstraße", der "Belt and Road Initiative". Dahinter steht die Idee, Chinas Handel zu befördern und China seine uralte Bedeutung zurückzugeben. Matt Ferchen vom Mercator Institute for China Studies sagt: Viele meinten, China wolle "eine neue Weltordnung" schaffen. Aber da sei eine große Schwelle "zwischen dem, was man sagt, und dem was man tut". Ferchen weiter: "Das Projekt ist sehr ambitiös angelegt, in der Wirklichkeit kommt es ganz schnell an seine Grenzen." China könne nicht einmal seine "kleineren, ärmeren Nachbarn" beschwatzen.

Die Belt and Road Initiative ist ein Konglomerat aus von Peking und den Provinzen gesteuerten Investitionen. Laut Ferchen "gibt die Zentralregierung die Richtung vor; aber die Banken, die China Development Bank zum Beispiel, sowie lokale Regierungen und Unternehmen interpretieren das, wie es ihnen passt". Außerdem würden auch viele Professoren und Denkfabriken um ihre Meinung gefragt. Ferchen schließt: "Am Ende steht oft ein ziemlich chaotischer Mix von Meinungen." Man muss vor China keine Angst haben.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: