Knauf:Gips jetzt überall

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Der Konzern ist zum globalen Marktführer aufgestiegen. Nun legt das Unternehmen auch beim Management nach.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Auf den ersten Blick scheint die Nachricht aus Liechtenstein unspektakulär: Ein Top-Manager wechselt von einer Firma zur anderen, das kommt häufig vor. In diesem Fall geht es um Jörg Kampmeyer, 51, der sich seit 2002 beim Werkzeughersteller Hilti in den Vorstand hochgearbeitet hat, wo er hauptsächlich für Finanzen, IT und Personal zuständig ist. Am 1. Januar 2020 wird er den Liechtensteiner Konzern verlassen und geschäftsführender Gesellschafter bei Knauf werden, dem fränkischen Baustoffkonzern. Hinter dem Wechsel verbirgt sich mehr als eine Routine-Personalie; er ist vielmehr Folge einer spektakulären Geschichte von exorbitantem Wachstum binnen kürzester Zeit.

In nicht einmal zwei Jahren hat sich das Familienunternehmen Knauf mit Sitz im Weindorf Iphofen unweit von Würzburg zum Weltmarktführer seiner Branche katapultiert. Der Umsatz wird allein in diesem Jahr von 7,2 auf voraussichtlich knapp elf Milliarden Euro steigen und die Zahl der Mitarbeiter von 26 000 auf 35 000. Rasanter wächst derzeit kein deutsches Unternehmen in dieser Größenklasse.

Dahinter steckt eine Großoffensive in Sachen Expansion, in die Knauf mehrere Milliarden Euro investierte. Den Anfang markierte vor einem Jahr die spektakuläre Übernahmeschlacht um den börsennotierten US-Konkurrenten und amerikanischen Marktführer USG, bei dem der bekannte US-Investor Warren Buffett knapp ein Drittel der Aktien hielt. Knauf setzte sich am Ende durch. Mit einem Volumen von sechs Milliarden Euro war es die größte Akquisition in der Geschichte des 1932 in Schengen an der Mosel gegründeten Familienunternehmens. Abgewickelt wurde das Geschäft erst im Frühjahr 2019, da sich die kartellrechtlichen Verfahren in einigen Ländern lange hinzogen.

In jüngster Zeit stärkten Zukäufe in den USA und Australien das Unternehmen

Ebenfalls endgültig unter Dach und Fach ist seit Kurzem die Übernahme von Armstrong World Industries, einem US-Hersteller von Bodenplatten und anderen Bauelementen, den Knauf für umgerechnet 300 Millionen Euro kaufte. Die EU-Kommission machte ihre wettbewerbsrechtliche Genehmigung jedoch vom Verkauf der Armstrong-Geschäftsbereiche Mineralfaserplatten und Unterkonstruktionssysteme für Zwischendecken abhängig, wie man sie beispielsweise in Gewerbegebäuden, Schulen oder Krankenhäusern findet. Vor einem Monat verkaufte Knauf daher diese Sparte in Gestalt zweier britischer Produktionsstätten und von Vertriebsniederlassungen in elf europäischen Ländern an den Finanzinvestor Aurelius.

Und dann ist da ein drittes, erst wenige Tage altes Geschäft im mittleren, dreistelligen Millionenbereich, das Knauf auf einen Schlag von der bisherigen Nummer drei zum Marktführer für Gipskartonplatten in Asien macht. Es geht um den australischen Baustoffkonzern Boreal.

Mit diesem betrieb die Knauf-Neuerwerbung USG ein gemeinsames Unternehmen, ein Joint Venture mit eigenen Fabriken und einem Netzwerk aus mehr als 50 Fachmärkten in Australien. Nun wird dieses Unternehmen neu strukturiert. Knauf wird dabei sein komplettes Gipskartonplattengeschäft im asiatisch-pazifischen Raum in das Joint Venture einbringen. Abzüglich einer kleineren Beteiligung, die Knauf verkauft, entsteht bei alledem ein neuer Gips-Gigant.

Schon lange vor der Wende machte Knauf Geschäfte im heutigen Russland

All dies ist der Grund für die Verpflichtung von Hilti-Manager Kampmeyer, der die bisherige Doppelspitze bei Knauf verstärken soll. "Mit der Erweiterung der geschäftsführenden Gesellschafter von zwei auf drei tragen wir unserem enormen Wachstum im vergangenen Jahr Rechnung", so Grundke. Der frühere Bosch-Rexroth-Manager führt seit 2008 die Geschäfte des Unternehmens, 2013 kam mit Alexander Knauf ein Vertreter der Eigentümerfamilie hinzu. Sein Vater Baldwin Knauf und dessen Cousin Nikolaus führten zuvor vier Jahrzehnte lang das Unternehmen und formten in dieser Zeit aus einem überschaubaren Gips- und Dämmstoffbetrieb einen Weltkonzern.

Lange bevor der Eiserne Vorhang im Jahre 1989 fiel, machten die Knaufs bereits beste Geschäfte im heutigen Russland, wo man der Unternehmerfamilie gute Kontakte in den Kreml nachsagt. Nikolaus Knauf fungierte auch einige Jahre als Honorarkonsul Russlands. Vor elf Jahren zogen er und sein Vetter Baldwin sich aus der Konzernführung zurück und Grundke übernahm als erster familienfremder Manager in der Firmengeschichte die operative Verantwortung.

Die Familie Knauf zählt zu den reichsten in Deutschland. Ihr Unternehmen gilt auch ohne Investoren als höchst finanzstark - und als geerdet. Nach wie vor wird die Knauf-Gruppe mit ihren Hunderten Tochtergesellschaften samt 220 Werken weltweit von Iphofen aus gesteuert, einem nicht einmal 5000 Einwohner zählenden Städtchen im Mainfränkischen, das außer durch Knauf vor allem durch prächtige Silvaner-Weine bekannt ist. Und durch ein im internationalen Maßstab anerkanntes Gips-Museum, das selbstredend den Knaufs gehört.

Nach außen hin zeichnen sich Familie und Firma Knauf dadurch aus, dass sie selten öffentlich in Erscheinung treten und kein großes Aufheben um sich selbst machen. Nikolaus Knauf saß einige Jahre im Marktgemeinderat seines Wohnortes Markt Einersheim im Landkreis Kitzingen. In den vergangenen Jahren sponserte Knauf überdies das Würzburger Basketball-Erstligateam. Ein Engagement, das nach zwölf Jahren zuletzt auf der Kippe schien. Nun allerdings heißt es, Knauf werde weiterhin als Top-Geldgeber an Bord bleiben. Wenn auch nicht mehr als weithin sichtbarer Trikotsponsor, sondern nur mehr mit dem Firmenlogo auf den Hosen der Spieler.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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