Klimaschutz:Industrie fordert Abkehr vom Kyoto-Protokoll

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Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) will im Klimaschutz weg vom Kyoto-Protokoll. "Dieser Ansatz ist gescheitert", sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Carsten Kreklau. Besser sei es, nach Vorbild der USA neue Technologien zu fördern. Sowohl Regierung als auch Union kritisierten den Vorstoß.

Michael Bauchmüller

Kürzlich war bekannt geworden, dass die USA und Australien dem Kyoto-Abkommen einen "Klimapakt" entgegensetzen wollen. Statt fester Emissionsziele strebt der Pakt die Förderung klimafreundlicher Technologien an. Auch China, Indien und Südkorea sollen der Vereinbarung beitreten. Gemeinsam verursachen die Länder fast die Hälfte aller Kohlendioxid-Emissionen.

Ein Kohlekraftwerk und ein Windrad in Mehrum. Der BDI sieht durch zu starken Klimaschutz die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährdet. (Foto: Foto: ddp)

"Diesen Weg muss auch die deutsche Politik einschlagen", fordert Kreklau nun in einem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

"Umweltminister Trittins starres Festhalten am Kyoto-Vertrag auch für die Zeit nach 2012 führt in die Irre." Deutschland könne durch zu ehrgeizigen Klimaschutz seine Wettbewerbsposition verlieren, warnt Kreklau. "Es droht der Verlust weiterer Arbeitsplätze."

Der BDI greift damit einer Debatte vor, die spätestens im kommenden Jahr ansteht. Schon bald müssen die Kyoto-Staaten Verhandlungen über einen Nachfolge-Vertrag aufnehmen. Das laufende Klimaschutzabkommen endet 2012.

Das Kalkül ist klar: Betreibt die internationale Gemeinschaft Klimaschutz, indem sie Investitionen in umweltfreundliche Technologien fördert, kann die deutsche Wirtschaft auf Aufträge hoffen. "Eine neue Klimapolitik bietet auch Chancen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie", folgert Kreklau.

Wissenschaftler halten an Kyoto fest

Für diesen Kurs hatten in der vorigen Woche auch Unterhändler der US-Regierung in Berlin geworben. "Die deutsche und die amerikanische Wirtschaft können von dieser Form des Klimaschutzes enorm profitieren", sagte Harlan L. Watson, Washingtons Verhandlungsführer für Klimawandel, vor einem Treffen mit deutschen Regierungsvertretern.

Dagegen geht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung davon aus, dass sich mit einer Fortschreibung des Kyoto-Protokolls das Klima am günstigsten schützen lässt. Im Idealfall - und mit Beteiligung der USA und Chinas - könnten die Kosten für den Klimaschutz um eine halbe Milliarde Dollar sinken, heißt es in einer jüngst vorgelegten Studie.

Doch Deutschlands "Verbesserungspotenziale" beim Klimaschutz, so der BDI-Hauptgeschäftsführer, "sind weitgehend ausgereizt". Deutschland hat auf Basis des Jahres 1990 knapp 19 Prozent seiner Kohlendioxid-Emissionen gesenkt. Um das Ziel einzuhalten, das die Bundesregierung sich im Kyoto-Protokoll gesetzt hat, muss Deutschland bis 2012 insgesamt 21 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 1990.

Widerstand überall

Während jedoch die Emissionen der Industrie - auch durch den Kollaps der DDR-Wirtschaft - bis zuletzt zurückgingen, verzeichnet das Nationale Klimaschutzprogramm bei Kraftwerken wieder einen spürbaren Anstieg der Emissionen.

Zu den Zielen technologie-orientierten Klimaschutzes zählt unter anderem, Kohlendioxid-Emissionen von Kohlekraftwerken abzufangen und unterirdisch zu lagern. Pilotprojekte dazu laufen sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten.

Dennoch dürfte sich der BDI mit seinem Vorstoß zunächst allein auf weiter Flur wiederfinden. Die Union tritt in ihrem Wahlprogramm für einen Ausbau der Vereinbarung ein. "Wir wollen die Klimaschutzvereinbarungen zu einer "Kyoto-Plus-Initiative" weiter entwickeln", heißt es.

Rot-Grün mit den ehrgeizigsten Zielen

Auch Peter Paziorek, umweltpolitischer Sprecher der Union, stützt das Abkommen. "Wir brauchen internationale Vereinbarungen, die Zielvorstellungen festlegen", sagte er. "Die internationale Gemeinschaft muss wissen, wer was für den Klimaschutz macht."

Auch die Liberalen halten an dem System der Klimaschutz-Verpflichtungen fest: Bis 2020 schlagen sie vor, die Emissionen europaweit um 30 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Die rot-grüne Bundesregierung geht noch weiter. Für die "zweite Verpflichtungsperiode" bis 2020 schlägt sie vor, die deutschen Emissionen um 40 Prozent zu senken - sofern die restlichen EU-Staaten anstreben, den CO2-Ausstoß um 30 Prozent zu mindern.

"BDI kläfft gegen erklärten Konsens"

Die bundeseigene KfW-Bankengruppe hatte erst am Montag gefordert, in ein Nachfolge-Abkommen für Kyoto auch Länder wie China und Indien einzubeziehen. "Ungeachtet der Erfolge des Kyoto-Protokolls steigen die globalen Treibhausgasemissionen weiter stark an", warnte die Bank.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin erteilte dem Kreklau-Vorstoß eine klare Absage. "Der BDI kläfft damit gegen den erklärten Konsens der Staats- und Regierungschefs der EU", sagte Trittin der SZ. Die hätten auf ihrem Frühjahrsgipfel unterstrichen, dass der Klimaschutzprozess auch nach 2012 weitergehen muss. Ziel bleibe es, den Ausstoß von Treibhausgasen bis Mitte dieses Jahrhunderts global zu halbieren.

© SZ vom 17.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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