Klimaschutz:Dünger von Thyssen-Krupp

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Stahlarbeiter an einem Hochofen von Thyssen-Krupp. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Dreckschleuder Hochofen? Stahlerzeuger erproben Verfahren, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu senken.

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Zumindest in der Theorie müssen Stahlhütten keine Dreckschleudern sein. Damit sie es auch in der Praxis immer seltener sind, hat Thyssen-Krupp gemeinsam mit anderen Konzernen und unterstützt von Forschungseinrichtungen, in Duisburg ein Projekt angeschoben, das aus den Abgasen von Stahlwerken Dünger machen soll. Derzeit werden die Hüttengase meist auf dem Betriebsgelände verbrannt, um so Strom für die Stahlwerke zu erzeugen. Dabei wird Kohlendioxid in die Luft gepustet.

Doch in den Hüttengasen stecken auch die Bausteine für Düngemittel: etwa Kohlenstoff in Form von Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Die Energie für die chemischen Prozesse soll unter anderem aus überschüssigem Ökostrom kommen. Zu windigen und sonnigen Zeiten soll dann Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Mit dem zusätzlichen Wasserstoff kann mehr Kohlenmonoxid aus den Hüttengasen in chemische Produkte umgewandelt werden. Es ist eine Art Energiespeicherung, nur nicht in Gestalt einer Batterie, sondern als Dünger.

Das wäre auch ein wichtiges Signal an die Politiker in Brüssel. Dort diskutieren derzeit Rat und Parlament den Vorschlag der EU-Kommission, die Verschmutzungsrechte, wie sie die Schwerindustrie mit ihrem hohen Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids benötigt, zu verteuern. Unter den Stahlherstellern wächst deshalb die Sorge, im Kampf für einen Klimaschutz so stark geschwächt zu werden, dass die Entwicklung neuer Technologien wie in dem Duisburger Forschungsprojekt gar nicht mehr möglich wäre.

Wenn sich die EU-Kommission bei der Verschärfung der Emissionen durchsetzt, leidet die Industrie

Angesichts der Zahlen, wie sie die Wirtschaftsberatung Prognos im Auftrag der Wirtschaftsvereinigung Stahl ermittelt hat, scheint diese Sorge berechtigt zu sein. Demnach würde, wenn die Kommission sich mit der Verschärfung des Emissionsrechtehandels von 2021 an durchsetzt, die deutsche Stahlproduktion bis 2030 um zwei Drittel gegenüber dem Niveau sinken, das sie ohne eine Verschärfung halten könnte. Damit kämen Belastungen in Höhe von etwa einer Milliarde Euro im Jahr auf die hiesigen Stahlhersteller zu. Diese, so die Einschätzung der Experten, könnten sie allerdings nicht weitergeben, denn schon heute wird mehr Stahl in Deutschland produziert als benötigt.

Stahl aber ist einer der wichtigsten Rohstoffe, auf den viele andere Industrien setzen, vor allem Autohersteller und Maschinenbauer. "Ein Euro Belastung in der Stahlindustrie wäre in der Konsequenz mit 30 Euro Verlust in der gesamten Volkswirtschaft verbunden", rechnet Verbandspräsident Hans Jürgen Kerkhoff vor. Unter einem Abbau von 37 000 Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie, die Prognos bis 2030 erwartet, würde auch der Einzelhandel leiden, weil dort weniger ausgegeben wird. Insgesamt stehen den Berechnungen nach in Deutschland 380 000 Jobs auf der Kippe. Keine andere Wirtschaft in Europa ist so stark industriell geprägt.

Es gibt aber auch ein anderes Szenario: Der Abschwung in China hat bereits dazu geführt, dass die dortigen Hütten, staatlich subventioniert, mehr Stahl produzieren als gebraucht wird. Zu Dumpingpreisen exportieren sie den Überschuss nach Europa. Die hiesige Industrie könnte Stahl also noch stärker als bisher in China einkaufen. Das allerdings würde dem Klimaschutz kaum helfen: Die chinesischen Hütten stoßen deutlich mehr aus die deutschen, und Düngemittel produzieren sie auch noch nicht.

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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