Klimaschutz:Das politische Vehikel

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Die einst stolze Autoindustrie ist in der Defensive. Sie wird von Politikern attackiert wie selten zuvor. Jetzt rächt es sich, dass die Branche, die so viel Emotionen verkauft, die Gefühle der Menschen vergisst, die von der Autoindustrie ökologische Lösungen erwarten.

Karl-Heinz Büschemann

Das waren Zeiten, als die Republik noch einen Autokanzler hatte, als die Umweltfreundlichkeit eines Fahrzeugs in Litern auf hundert Kilometern gemessen wurde und nicht neumodisch in der Menge des ausgestoßenen Kohlendioxids. In jenen Jahren hatte die Autoindustrie ein tadelloses Ansehen, sie galt als High-Tech-Branche, die Deutschland zum Exportweltmeister machte.

Und wenn sich ein ungestümer Umweltpolitiker mal wieder eine Dummheit ausgedacht hatte, die der PS-Branche missfiel, genügte der Anruf eines Konzernchefs aus Stuttgart oder Wolfsburg im Kanzleramt, dann war die Sache erledigt.

Heute ist die stolze Industrie in der Defensive. Sie wird von Politikern attackiert wie selten zuvor. Tempolimit und kaum erreichbare Abgasnormen werden gefordert. Jeder politische Würdenträger kann sich auf Kosten der Autoindustrie profilieren. Selten zuvor war die wichtigste deutsche Industriebranche so kleinlaut. "Wir sind keine Schmutzfinken", sagt Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in einer verzweifelt anmutenden Reaktion. Die Konzerne waren auf die Klimadebatte unvorbereitet. Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, die in dieser Woche beginnt, werden die Hersteller eilig versuchen, sich als Freunde der Umwelt darzustellen.

Doch die Autobranche hat selbst dazu beigetragen, dass sie in die Defensive geriet. Sie hat zu spät erkannt, dass die aufgeregte politische Debatte um das Weltklima nicht schnell wieder vorbeizieht. Der laue Winter und der verheerende Wirbelsturm Katrina, der vor zwei Jahren die amerikanische Stadt New Orleans zerstörte, haben die Debatte über die Klimaerwärmung weltweit massiv angefacht und die Stimmung gewendet - auch gegen das Auto.

Chance zum Generalangriff

Erst jetzt erkennt die Industrie, dass sie zum großen Teil die falschen Autos baut, deren absurdeste Variante Zehnzylinder-Geländewagen für den City-Boulevard sind. Auch auf der angeblich grünen IAA werden PS-Protze glänzen - der Audi RS6 etwa bietet absurd anmutende 580 PS auf.

Die Industrie behauptet, ihre Supermotoren Made in Germany stießen pro PS weniger Kohlendioxid aus als die Golfs oder Hyundais der kleinen Leute, sie seien deshalb ökologisch und technologisch auf der Höhe der Zeit. Dass sie vielleicht zu viel PS haben könnten, daran denkt offenbar niemand. Die meisten der in den Messehallen gezeigten neuen deutsche Öko-Autos mit Hybrid-Motor sind auch noch Blech-Attrappen. Sie werden erst in einigen Jahren zu kaufen sein.

Jetzt rächt es sich, dass die Branche, die so viel Emotionen verkauft, die Gefühle der Menschen vergisst, die von der Autoindustrie ökologische Lösungen erwarten. Jetzt schlägt auf die Branche zurück, dass BMW, Mercedes, Audi & Co. den spritsparenden Hybrid-Motor, den Toyota vor einigen Jahren auf den Markt brachte, im Chor als uralte Technik lächerlich machten.

Da war es wieder, das Bild von der bösen Autoindustrie, der die Umwelt egal ist. So war es in den achtziger Jahren, als das Auto schon einmal als der größte Klimakiller galt und die Manager den Einbau von Abgas-Katalysatoren ablehnten. So war es auch, als die deutschen Autohersteller vor wenigen Jahren hämisch über den Dieselpartikelfilter der französischen Konkurrenten herfielen. Jetzt bauen sie ihn ein, genauso wie sie mit Verspätung die verachteten Hybrid-Antriebe anbieten. Wer so wankelmütig ist, darf sich nicht wundern, dass die Öffentlichkeit gereizt reagiert.

Bei so viel Angriffsfläche nutzen natürlich auch die Politiker ihre Chance zum Generalangriff auf die Branche. Die Fahrzeugindustrie wird in dieser Situation getrieben, statt der Welt vorzuführen, wie die Autos von morgen aussehen müssten. Doch ein Konflikt zwischen der Regierung und einer Schlüsselbranche ist nicht gut. Wo Politiker und Manager zu Gegnern werden, können alle nur verlieren.

Es hätte noch dicker kommen können

Das gilt vor allem für die 700.000 Beschäftigten bei Fahrzeugherstellern und Zulieferern. Es ist erstaunlich, wie bereitwillig Politiker über eine wichtige Industrie herfallen aus durchsichtigem Profilierungsbedürfnis heraus. Aber ebenso wenig verständlich ist, dass gerade die Autoindustrie, die besonders auf den Rückhalt von Gesellschaft und Regierung angewiesen ist, dieses Gespür für politische Stimmungen verliert.

Es hätte der Branche gut getan, wenn sie neben mehr PS und Drehmoment auch ihre Kompetenz für die Zukunft des Autos gezeigt hätte. Wer sich Gedanken über sparsame Motoren, die Verkehrssysteme der Zukunft und den Antrieb für das Zeitalter nach dem Öl macht, wird sicher nicht zur Zielscheibe einer Gesellschaft, die um ihre Umwelt bangt.

Die Autoindustrie muss schnell umdenken. Dabei reicht es nicht, das Image durch neue, ökologisch sinnvollere Autos zu verbessern. Sie kann dabei sogar auf die Kanzlerin bauen, die längst nicht alles mitmacht - Beispiel Tempolimit -, was so alles im politischen Basar gehandelt wird. Dass Merkel noch zur Autokanzlerin wird, kann die Industrie nicht erwarten. Aber die Branche verdankt der Regierungschefin, dass es in der hitzigen Klimadebatte für sie nicht noch viel dicker gekommen ist.

© SZ vom 10.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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