Klickende Roboter:Wie Betrüger die Online-Werbebranche ausnehmen

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Die Werbebranche erwirtschaftet jährlich rund 50 Milliarden Dollar mit Internet-Anzeigen. Dabei stammt jeder zweite Klick nicht von Menschen - sondern von Robotern.

Von Michael Moorstedt

Nichts werde mehr so sein, wie es einmal war, da sind sich die Experten sicher. Einige sprechen gar vom "langsamen Tod des Web". Der Grund für das Untergangsszenario? In der neuesten Version seines mobilen Betriebssystems bietet Apple ab Werk Unterstützung für sogenannte Adblocker, kleine Programme, die Bannerwerbung und Pop-up-Anzeigen automatisch ausblenden. In anderen Ländern sind solche Programme noch lange nicht so flächendeckend im Einsatz wie im notorisch werbeskeptischen Deutschland. In den USA haben gerade mal 15 Prozent aller Nutzer eine Adblock-Software installiert.

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Wenn nun jeder iPhone-Benutzer automatisch die Werbung blockiert, kann man schon von einem gewissen Strukturwandel ausgehen. Werbung ist der Treibstoff, der das Netz am Laufen hält. Immerhin ist es ein Geschäft mit einem geschätzten Jahresumsatz von 48 Milliarden Dollar.

Das Geschäft mit der Online-Werbung ist auf Lügen gebaut

Es gibt wohl kaum eine Branche, die von den Nutzern weniger Mitleid erwarten könnte als die der Online-Werber. Dabei haben sie es schwer. Denn wie sich herausstellt, ist ein Großteil ihres Geschäfts auf Lügen gebaut. Und damit sind gar nicht mal die Botschaften gemeint. Es geht um die Tatsache, dass immer weniger Werbung überhaupt von echten Menschen gesehen wird. sondern von gekaperten Rechnern - Software, die auf Werbung schaut. Schätzungen zufolge beträgt der Anteil der gefälschten Klicks und Besuche zwischen einem Drittel und der Hälfte aller jemals angeklickten Anzeigen. Was wiederum bedeutet, dass bis zu 50 Prozent der zuvor erwähnten 48 Milliarden umsonst ausgegeben werden.

Kleiner Exkurs in die Welt des Online-Marketings. Wer eine neue Website startet, braucht Besucher, damit Werbeagenturen Anzeigen schalten. Nun kann man sich entweder darauf verlassen, dass die Suchmaschinen schon genügend Besucher bringen werden, oder man vertraut auf sogenannte Traffic-Broker. Die verkaufen den Betreibern für Cent-Bruchteile ein gewisses Publikum, das auf die Werbung klickt. Und dieses Publikum, so stellt sich nun heraus, besteht zum größten Teil aus Bots, aus Computerprogrammen, die selbständig ziemlich eintönige Aufgaben erledigen.

Der Cyber-Kriminelle von heute lässt klicken

Es sind aber nicht nur findige Betrüger, die von der Absurdität des Systems profitieren. Auch Google und seine Videoplattform Youtube mischen mit, das behauptet zumindest eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Madrid. Videoaufrufe, die als gefälscht erkannt werden, würden bei der Berechnung des Anzeigenpreises mit berücksichtigt, so die Forscher.

Doch woher kommt der automatisierte Traffic eigentlich? Von Horden mit Viren befallener Computer, die im Hintergrund einen virtuellen Browser laufen lassen, der nichts anderes tut, als auf Anzeigen zu klicken. Und der Besitzer des infizierten Rechners bekommt von alldem nicht mal etwas mit. Der Cyber-Kriminelle von heute lässt klicken.

Und so ist es heutzutage zu einem Riesengeschäft geworden, immer neue Domains zu registrieren und diese mit generischen Texten und geklauten Bildern auszustatten. Sie existieren nur, um möglichst viele Klicks und damit auch Werbeeinnahmen zu generieren - es sind potemkinsche Webseiten.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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