Klaus-Peter Müller:"Von Mauschelei kann keine Rede sein"

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Massive Kritik an der Politik: Corporate-Governance-Chef Müller attackiert Pläne der Regierung, die Manager stärker zu kontrollieren.

Karl-Heinz Büschemann

Klaus-Peter Müller wirkt gereizt. Ihm missfällt das gespannte Verhältnis von Politikern und Managern. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung kritisiert er die Vorschläge der Berliner Koalitionsfraktionen für neue Gesetze zur Kontrolle von Managern als unrealistisch oder unnötig. Der frühere Chef der Commerzbank beklagt, die Politiker hätten ein falsches Bild von den Unternehmenschefs.

"Die Politik unterschätzt die Verärgerung der Manager": Klaus-Peter Müller. (Foto: Foto: Reuters)

SZ: Herr Müller, ist der Corporate Governance Kodex noch zeitgemäß? Das freiwillige Regelwerk wirkt überholt, die Regierung plant, mit Gesetzen die Unternehmensführung zu verbessern. Ist das nicht viel wirksamer?

Müller: Die Arbeit der Kommission hat sich bewährt, 95 Prozent ihrer Empfehlungen werden von den Dax-Konzernen befolgt.

SZ: Die Bundesregierung nimmt der Kommission aber zunehmend das Heft aus der Hand. Gesetze sind wirksamer als Empfehlungen.

Müller: Die Kommission ist von der Regierung eingesetzt worden. Sie muss daher entscheiden, ob sie den Primat der Politik fordert oder ob sie die erfolgreiche Kommission weiterarbeiten lässt.

SZ: Frustriert es Sie, dass die Kommission den geplanten Gesetzen nur hinterherlaufen kann?

Müller: Offenbar haben manche Abgeordnete gerade in dieser Zeit des Vorwahlkampfes den Wunsch, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ungeachtet der Frage, ob es die Kommission auch hätte lösen können. Wir haben unsere Kodex-Änderungen schon im Januar skizziert. Sie sind seit Monaten bekannt.

SZ: Die Bundesregierung will eine verschärfte Haftung für Manager. Sie will auch erreichen, dass erfolglose Manager einen Teil ihres Gehalts zurückzahlen müssen. Ist das nicht vernünftig?

Müller: Die Anpassung von Gehältern ist doch längst möglich. Das steht ja schon im geltenden Aktiengesetz. Ob die Anpassung aber rückwirkend möglich ist, wird selbst von den Juristen der beiden Regierungsfraktionen bezweifelt.

SZ: Die Koalitionsfraktionen wollen auch, dass in Zukunft der gesamte Aufsichtsrat die Manager-Gehälter festlegt und nicht mehr nur ein kleiner Ausschuss. So soll Mauschelei im Hinterzimmer vermieden werden.

Müller: Die Gehälter der Manager werden in mitbestimmten Gremien beschlossen und schon seit Jahren in den Geschäftsberichten ausgewiesen. Von Mauscheln kann daher nicht die Rede sein.

SZ: Was spricht dagegen, den gesamten Aufsichtsrat über die Gehälter entscheiden zu lassen?

Müller: Das ist in der Realität doch gar nicht machbar. Schon heute entscheidet der Aufsichtsrat darüber, ob es überhaupt einen Bonus oder andere variable Gehaltsbestandteile gibt und in welchem Verhältnis sie zum Fixgehalt stehen. Die Kommission hat zudem noch die Empfehlung beschlossen, dass künftig der Gesamtaufsichtsrat die Bandbreiten der Gehaltsbestandteile für jedes Vorstandsmitglied festlegt. Man kann doch nicht einen 16- oder 20-köpfigen Aufsichtsrat Beurteilungsgespräche mit jedem einzelnen Vorstand führen lassen. Die Beurteilung ist aber ausschlaggebend für das Gehalt. Das kann nur ein Ausschuss machen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Schuld die Regierungen nach Meinung von Klaus-Peter Müller an der Krise haben.

SZ: Die Bundesregierung will Vorstandsmitgliedern, die in den Aufsichtsrat wechseln wollen, eine Karenzzeit von zwei Jahren auferlegen. Wieso wollen Sie nicht, was doch vernünftig klingt?

Müller: Das ist nur auf den ersten Blick vernünftig. Zwei Jahre nach dem Ausscheiden ist in unserer schnelllebigen Zeit ein Ex-Vorstandsmitglied nicht mehr auf dem Laufenden. Da geht wertvoller Sachverstand verloren. Außerdem: Wenn ein 65-jähriger ehemaliger Vorstand zwei Jahre warten muss, ist die Wahl in einen Aufsichtsrat mit der Altersbeschränkung von 70 oder 72 Jahren kaum noch sinnvoll.

SZ: Übertreiben die Politiker bei den angestrebten Regelungen zur Unternehmensführung?

Müller: Ganz eindeutig. Sie gehen fragwürdig mit einer Elite um, von der sie gleichzeitig wünschen, dass sie Deutschland wieder aus dieser wirtschaftlichen Situation befreit. Die Politik unterschätzt die Verärgerung der Manager, die eine ordentliche Arbeit leisten.

SZ: Ist der Vorwurf, die Manager hätten die Wirtschaftskrise verursacht, nicht berechtigt?

Müller: Diese Argumentation ist zu einfach. Die Subprime-Krise in den USA ist Folge von eindeutigem Versagen der Bankenaufsicht.

SZ: Der Staat war schuld?

Müller: Die Schließung des Bankhauses Lehman, die am Anfang der akuten Finanzkrise stand, war eine politische Fehlentscheidung. Die Niedrigzinspolitik in den USA war politisch gewollt. Ich finde es bemerkenswert, wie wohl sich die Politiker dabei fühlen, einen Alleinschuldigen gefunden zu haben. So unschuldig sind die Regierungen nicht.

SZ: Die Manager sind unschuldig?

Müller: Klares Nein. Ich habe als Chef der Commerzbank öffentlich eingestanden, dass wir Fehler gemacht haben. Aber es gibt neben uns noch andere, die ebenfalls Fehler gemacht haben, das ist in erster Linie die Politik, gefolgt von Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfern.

SZ: Haben die Politiker ein falsches Bild von den Managern?

Müller: Ja. Sie machen es sich zu einfach, wenn sie an ein paar schwarzen Schafen ein schwarzweißes Bild orientieren. Es ist falsch, wenn sich gesetzgeberische Aktivitäten an den einzelnen schwarzen Schafen orientieren.

SZ: Das Verhältnis der Kommission zur Bundesregierung oder zum Bundestag scheint nicht gut zu sein.

Müller: Ein intensiver Dialog hätte der Sache gedient. Doch die Offenheit der Politiker gegenüber uns hat offenbar Grenzen. Wir stehen jederzeit für Gespräche zur Verfügung.

© SZ vom 05.06.2009/kaf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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