Kindernahrung:Ess ich nicht!

Lesezeit: 3 min

Alete steckt in der Krise. Vom Verkauf und dem nahen Ende des einstigen Marktführers für Baby-Nahrung ist die Rede. Vielleicht ist das Schlimmste aber schon überstanden.

Von Michael Kläsgen, München

Fast jeder kennt Alete. Das Marketing hat seit der Gründung 1934 in München offenbar tadellos funktioniert. Slogans wie "Alles Gute für Ihr Kind", "Alete Kost fürs Kind" und auch die Verballhornungen von Komikern ("Alete kotzt das Kind") haben zur Bekanntheit der Firma beigetragen und lassen sie weit größer erscheinen, als sie ist.

Tatsächlich beschäftigt Alete heute noch etwa 30 Mitarbeiter, macht seit drei Jahren Verluste in Millionenhöhe und es kursieren Gerüchte, wonach die Firma zum Verkauf stehen könnte. Bis 2015 war Alete eine Tochter des Schweizer Lebensmittelherstellers Nestlé. Seither gehört Alete zu 80 Prozent dem Stuttgarter Finanzinvestor BWK, der wieder zu 40 Prozent der baden-württembergischen Landesbank gehört. Einer der "Grundsätze" der Beteiligungsfirma ist es, "in stark wachsende mittelständische Unternehmen" zu investieren. Dazu zählte Alete zumindest im vergangenen Jahr noch nicht. Fragen, ob Alete tatsächlich verkauft werden soll, weicht BWK-Geschäftsführer Bernd Bergschneider aus.

Einst Marktführer, heute eher ein Hersteller von Randprodukten

Angeblich stand ein Verkauf Ende vergangenen Jahres kurz bevor. Ob er am Ende an einem Mangel an Kaufinteressenten scheiterte, bestätigt er ebenfalls nicht. Mit der Käufersuche dürfte es im Moment nicht so leicht sein. Trotz des Bekanntheitsgrades in Deutschland bleibt das aus dem hessischen Bad Homburg gesteuerte Unternehmen im Wesentlichen eine rein nationale Marke und somit für international ausgerichtete Hersteller eher uninteressant. Aus einer Expansion nach Osteuropa und Russland oder gar nach China, wie sie dem 20-Prozent-Eigner und ehemaligen Henkel-Manager Horst Jostock vorschwebte, ist bislang nichts geworden. Angesichts der Verluste fehlt derzeit das Geld dazu.

In Deutschland war Alete einst Marktführer, verlor aber in den 45 Jahren unter dem Dach von Nestlé jegliche Zugkraft. Andere Babynahrungshersteller wie Hipp drängten die Marke zurück. Der Marktanteil sank von 50 Prozent in den Siebzigerjahren auf nur noch rund fünf Prozent heute, der Umsatz schrumpfte von 150 Millionen Euro auf 50 bis 60 Millionen Euro.

Im Drogeriemarkt Rossmann steht nur noch eine kleine Auswahl von Alete-Produkten im Regal, Kaufland hadert mit der Marke, bei dm zweifelt man offenbar auch, hält an der Marke aber im Moment noch fest und verkauft Alete-Nudel- und Gemüsegerichte "exklusiv". Ausgerechnet dm, der Drogeriemarkt, der bei den Deutschen so beliebt ist, weil er neben den günstigen Preisen die Nachhaltigkeit so betont.

Wie passt das mit den Schmähpreisen zusammen, die die Verbraucherlobbyisten von Foodwatch zweimal hintereinander für Alete ausgelobt haben? Zuletzt ging der "Goldene Windbeutel" im vergangenen November für einen "babygerechten" Kinderkeks an Alete, hergestellt für Säuglinge "ab dem achten Lebensmonat", bestehend zu einem Viertel aus Zucker.

Letzte Hoffnung: Die Firma kocht jetzt für Start-ups und stellt Eigenmarken von Händlern her

Alete sicherte Foodwatch zu, das Wort "babygerecht" noch im November 2017 von der Verpackung gestrichen zu haben. Doch Sophie Unger, die Leiterin für Kampagnen gegen Etikettenschwindel, sagt: "Wir haben vor ein paar Wochen noch einmal geprüft, ob die Schachteln mit dem korrigierten Aufdruck in den Regalen stehen, aber nichts gefunden." Auch einen Nachweis zu der Ankündigung von Alete, etwas an der Rezeptur des Zuckerkeks zu ändern, lieferte das Unternehmen nicht. Ein gefundenes Fressen für die Verbraucherlobbyisten. Immerhin sie nutzen die Stärke der Marke. Alete hingegen hat auch die Ausgaben für das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit zusammengestrichen. Mit der SZ wollte im Unternehmen niemand reden.

Immerhin Alteigentümer Nestlé bestätigt, Alete vor wenigen Wochen zumindest vorübergehend "gerettet" zu haben. Alete hätte bis Ende dieses Jahres ein Darlehen in Höhe von 20 Millionen Euro an den Weltkonzern zurückzahlen müssen. Das wäre vermutlich das Aus gewesen. Nun teilte ein Sprecher von Nestlé Deutschland mit: "Ein Teilbetrag des rückzuzahlenden Darlehns wurde für ein Jahr verlängert, um den positiven Trend der Alete mit zu unterstützen."

Der positive Trend besteht im Wesentlichen in einer höheren Auslastung des Werks im bayerischen Weiding an der tschechischen Grenze. Dort kocht Alete inzwischen auch für andere Unternehmen wie etwa das Start-up Little Lunch. Diese Art von "Co-Manufacturing" scheint eine aufstrebende Sparte zu sein und Alete in dem Bereich neue Kunden zu gewinnen. Auch die Zweit-Marke Milasan, die bei Aldi Süd mit 60 Produkten im Sortiment vertreten ist, soll relativ gut laufen. Zudem stellt Alete zunehmend auch Eigenmarken für Händler her, etwa eine eigene Babymarke für Lidl im europäischen Ausland. Im ersten Quartal soll Alete so ein Umsatzplus von mehr als 20 Prozent erzielt haben. Das würde dann schon eher den "Grundsätzen" des Finanzinvestors entsprechen.

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: