Kindergärten:Ein Angebot gegen miserable Öffnungszeiten

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Kindergärten und Krippen, deren Öffnungszeiten sich am Bedarf der Eltern orientieren - dafür gibt es den Preis des besten Sozialunternehmers 2006.

Elisabeth Dostert

In den kunterbunten Welten, in denen sich Björn Czinczoll bewegt, wirkt der große blonde Mann im grauen Anzug sehr förmlich.

Kinder des Kasseler Kindergartens Kunterbunt beim Martinszug. (Foto: Foto: dpa)

Nur die Farben seiner Krawatten ähneln denen der Luftballons, die immer dann aufgeblasen werden, wenn irgendwo wieder ein neues Kinderzentrum eröffnet wird, wie Mitte September im Münchner Stadtteil Pasing. Cinczoll hielt eine Rede unter einer bunten Girlande, wie Eltern sie zu Kinderfesten aufhängen.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hatte ein paar Grußworte geschickt mit den üblichen Floskeln: Eine nachhaltige Familienpolitik sei eines der wichtigsten Zukunftsprojekte der Bundesregierung, und dass bis zum Jahr 2010 für Kinder unter drei Jahren 230000 zusätzliche Betreuungsplätze entstehen sollen, stand im Grußwort der Ministerin.

Offenes Ohr

Björn Czinczoll, 34, ist ein Mann der schnellen Tat. "Ein netter Mensch, der immer ein offenes Ohr für seine Mitarbeiter hat", heißt es. Gemeinsam mit Eltern hat er 1998 in Nürnberg den Verein Kopfstütze gegründet als Träger einer Kindertagesstätte. Czinczoll wurde Geschäftsführer.

Seit 2005 heißt der Verein nun Kinderzentren Kunterbunt - gemeinnützige Kinderkrippen und Kindertagesstätten e.V. Seine eigene Firma, die Schülerhilfe Kopfstütze, hat der Jurist vor ein paar Jahren aufgegeben. Er hatte sie nach dem Studium gegründet.

"Ich wollte etwas bewegen, in der Juristerei war das nicht so gut möglich", sagt er. "Ich wollte mit Kindern und im Bildungswesen arbeiten."

Arbeit und Spaß

Er weiß, dass er als Jurist in der Wirtschaft mehr verdienen könnte. "Aber da würde mir die Arbeit nicht so viel Spaß machen. Man muss in seiner Arbeit auch Erfüllung finden", sagt er.

Bei der Betreuung von Kindern liege vieles im Argen. "Da muss es private Angebote geben, weil das staatliche System gar nicht mehr alles schultern kann oder will. Was der Staat bietet, reicht nicht aus und wird immer schlechter."

Den Bildungsmangel kennt Czinczoll wohl auch aus den Erfahrungen der eigenen Familie. Die Mutter ist Lehrerin in Regensburg, wo Czinczoll aufgewachsen ist und studiert hat.

"Die Eltern, die ihre Kinder zur Nachhilfe brachten, hatten meist auch noch jüngere Kinder", sagt er. Und alle plagte das gleiche Problem: die Horte und Krippen waren voll oder weit weg vom Arbeitsplatz der Eltern, die Wartelisten lang, die Öffnungszeiten miserabel.

Da hatte Czinczoll die Idee für den Verein. Der macht vieles anders als öffentliche Anbieter. In der Regel sind die Zentren für Kinder im Alter von drei Monaten bis sechs Jahren werktags zwischen sieben und 19 Uhr geöffnet, 52 Wochen im Jahr, an den meisten Standorten auch samstags.

Bedarfsorientierte Öffnungszeiten

"Die Betreuungszeiten der öffentlichen Einrichtungen entsprechen nicht mehr dem heutigen Berufsalltag, schon gar nicht in den Städten. Den Arbeitgeber interessiert nicht, ob der Kindergarten freitags um 13 Uhr schließt", sagt Czinczoll.

Bei ihm dürfen die Eltern bei den Öffnungszeiten mitreden. Das Zentrum in München beispielsweise ist bis 20 Uhr geöffnet. Die Krippe am Bezirkskrankenhaus in Regensburg öffnet um sechs Uhr, "weil die Schwestern und Ärzte so früh anfangen".

Der Verein ist staatlich anerkannt und finanziert sich zu 80 Prozent aus öffentlichen Zuschüssen und zu 20 Prozent aus den Beiträgen der Eltern und Spenden. Derzeit betreibt er fünf Zentren in Süddeutschland mit insgesamt 170 Plätzen.

Die Zahl der Kinder sei höher, weil nicht alle rund um die Uhr betreut werden. Czinczoll sucht arbeitsplatznahe Standorte und arbeitet mit Unternehmen zusammen. Die kaufen Möbel und Spielzeug, geben Nachlass bei der Miete oder sorgen für das Mittagessen.

Im nächsten Jahr sollen elf Zentren öffnen. Mit der Bekanntheit steigt die Nachfrage. Mit MAN ist sich Czinczoll einig über eine Krippe nahe München.

Für seine Idee ist Czinczoll nun von der Schwab Stiftung und dem Beratungsunternehmen Boston Consulting als bester Sozialunternehmer 2006 ausgezeichnet worden. Für die eigene Familienplanung hat er momentan keine Zeit, sagt er: "Aber Kinder sind toll."

© SZ vom 17.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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