Kernkraft:Atomausstieg auf Raten

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Das AKW Philippsburg 2 muss bis Ende 2019 seinen Betrieb einstellen. Vielleicht geht es aber auch schneller. (Foto: Uli Deck/dpa)

EnBW stellt Anträge für den Abriss zweier Kernkraftwerke. Und das, obwohl beide noch in Betrieb sind. Mancher sieht das bereits als Boten für einen zügigeren Atomausstieg. Doch die Betreiber haben wohl andere Interessen.

Von M. Bauchmüller, V. Bernau, Berlin/Düsseldorf

Der Karlsruher Energiekonzern EnBW trifft Vorbereitungen für den kompletten Atomausstieg. Das Unternehmen reichte Anträge für Abriss und Entsorgung seiner beiden verbleibenden Reaktoren Neckarwestheim 2 und Philippsburg 2 ein. "Damit unterstreichen wir, dass wir es mit der konsequenten Umsetzung der Energiewende ernst meinen", sagte Jörg Michels, Chef der Kernkraft-Tochter von EnBW. Man wolle Klarheit für alle Beteiligten schaffen.

Damit ist der Konzern seiner Zeit weit voraus. Neckarwestheim 2 darf eigentlich noch mehr als sechs Jahre am Netz bleiben, das Ausstiegsgesetz sieht eine Abschaltung bis spätestens Dezember 2022 vor. Philippsburg 2 müsste spätestens Ende 2019 seinen Betrieb einstellen. Allerdings schreibt der Gesetzgeber nicht vor, dass die Anlagen so lange Strom erzeugen müssen. Angesichts der derzeit niedrigen Erlöse an der Strombörse könnten sich die Betreiber nämlich auch entschließen, schon früher Schluss zu machen. Einem raschen Rückbau stünde dann nichts mehr im Wege.

Atomstrom erzeugen in Deutschland neben EnBW noch RWE und die Eon-Tochter Preußen-Elektra. Bislang hatten alle drei Anträge für den Abriss und die Entsorgung stets erst gestellt, wenn die Betriebsgenehmigung des Kraftwerks erloschen war. Im Strategiewechsel von EnBW sieht die zuständige Landesregierung deshalb schon einen Vorboten eines zügigeren Atomausstiegs. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) jubilierte: "Mit den Anträgen rückt das Ende der atomaren Energieerzeugung in Deutschland wieder ein Stück näher." Das Umweltministerium muss die Anträge bewilligen, das grün-schwarz regierte Land ist obendrein Hauptaktionär des EnBW-Konzerns.

Hoffnungen auf ein vorzeitiges Aus zerstreute EnBW allerdings noch am Montag. An den bisherigen Plänen zur Abschaltung halte man fest - allerdings, wie eine Sprecherin betont, "unter der Voraussetzung, dass die Kraftwerke sich wirtschaftlich betreiben lassen". Selbst ein Kernkraftwerk lässt sich bei Strompreisen von um die 20 Euro je Megawattstunde kaum profitabel betreiben. Zwar ist der Strompreis vom Tiefstand zu Jahresbeginn wieder etwas gestiegen, er liegt aber trotzdem nur noch bei der Hälfte dessen, was die Erzeuger vor dem Atomunglück in Fukushima 2011 im Großhandel erhielten. Zudem müssen die Konzerne bis Ende dieses Jahres noch eine Brennelementesteuer auf jedes eingesetzte Gramm Uran oder Plutonium abführen. Das macht das Geschäft nicht einfacher.

Sind die Rückbau-Anträge erst genehmigt, könnte der Betreiber schnell nach der Abschaltung damit beginnen, die Anlage abzubauen - gleich, ob sie bis zu letzten Minute lief oder nicht. Seit eine Regierungskommission empfohlen hat, die Konzerne nur noch für den Rückbau haften zu lassen, alles danach aber in staatliche Hände zu legen, dürfte das Interesse an einem zügigen Rückbau noch gewachsen sein. Je schneller die Reaktoren weichen, desto schneller sind sie endgültig aus den Büchern. Ohnehin lässt sich auch ein Atomkraftwerk nicht von heute auf morgen stilllegen. Wie bei anderen Kraftwerken auch müssen die Betreiber das geplante Ende ein Jahr vorher bei der Bundesnetzagentur anmelden. Sie muss prüfen, ob damit Engpässe verbunden wären.

Preußen-Elektra hat derzeit noch drei Kernkraftwerke am Netz, RWE betreibt ebenfalls drei Blöcke: einen in Lingen im Emsland, nach jetzigem Plan noch bis Ende 2021, und zwei im bayerischen Gundremmingen bis Ende des kommenden Jahres. In Bayern hat RWE den Antrag zur Stilllegung schon vor eineinhalb Jahren gestellt, in Niedersachsen hingegen noch nicht.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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