Katharina Wagner:"Kunst und Geld gehen Hand in Hand"

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Katharina Wagner über das Geschäft mit den Bayreuther Festspielen, teure Handtaschen und Subventionen.

M. Beise und R. Brembeck

Immer im Juli und August fallen die Bildungsbürger im beschaulichen Bayreuth ein - der Wagner-Festspiele wegen: Geld und Politik trifft Kunst. Geld ist in Bayreuth immer knapp. Das weiß auch Katharina Wagner, 30. "Ich inszeniere nicht im luftleeren Raum", sagt sie im SZ-Interview. Gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier soll sie, wenn der Stiftungsrat am 1. September zustimmt, von ihrem Vater Wolfgang Wagner die Leitung der Festspiele übernehmen. Eigentlich ein Amt auf Lebenszeit, aber nach mehr als fünf Jahrzehnten will der 88-Jährige die Aufgabe den Töchtern überlassen.

Richard Wagners Urenkelin Katharina über Handtaschen und Subventionen für Hochkultur. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Frau Wagner, als designierte Chefin der Bayreuther Festspiele ...

Wagner: Moment, das steht ja noch nicht fest: Der Stiftungsrat wird am 1. September tagen und ...

SZ: Aber es kann doch nach all den Vorgesprächen keinen Zweifel geben, dass Sie - ganz im Sinne Ihres Vaters Wolfgang Wagner - den Zuschlag bekommen, gemeinsam mit Ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier.

Wagner: Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich frage nicht nach, weil ich mich nicht dem Vorwurf des Mauschelns aussetzen will. Man kann ja hier nicht mal dem Oberbürgermeister die Hand schütteln, schon steht man unter Verdacht.

SZ: Nun gut, sprechen wir im Konjunktiv. Nehmen wir an, Sie bekämen den Job: Wie werden dann die Geschäfte verteilt? Sie hatten ja mal vor, mit dem Dirigenten Christian Thielemann und dem Kulturmanager Peter Ruzicka zusammen Bayreuth zu leiten.

Wagner: Thielemann wird, wenn es nach mir geht, eine Position hier haben, er ist ein für Bayreuth wichtiger Dirigent.

SZ: Aber Ruzicka ist draußen. Damit fragt sich, wer die geschäftlichen Dinge erledigt. Bayreuth hat große Finanzsorgen. Da muss spitz gerechnet und mancher neue Weg beschritten werden.

Wagner: Also erstens, die Verwaltung ist gut aufgestellt und mit einem neuen Verwaltungsdirektor besetzt, der seinen Etat fest im Griff hat. Und zweitens sind da natürlich auch meine Schwester und ich gefragt. Es gibt keine künstlerische Entscheidung, die nicht auch Geld kostet. Kunst und Geld gehen Hand in Hand.

SZ: Nervt der Kommerz Sie als Künstlerin?

Wagner: Nein, das gehört zum Geschäft. Ich inszeniere auch selbst nicht im luftleeren Raum. Mir ist es sogar ganz lieb, wenn man mir ein klares Budget vorgibt, mit dem ich planen kann.

SZ: Mögen Sie das Verwalten womöglich sogar?

Wagner: Durchaus. Wenn man immer nur künstlerisch arbeitet, macht einem der Verwaltungskram plötzlich wahnsinnig Spaß. Und wenn man immer nur Verwaltung macht, sehnt man sich nach der Kunst. Ich mag die Mischung aus beidem.

SZ: Ihr Urgroßvater Richard Wagner war notorisch pleite. Können Sie mit Geld umgehen?

Wagner: Also, da muss ich mich jetzt dagegen verwahren, dass die Wagners sozusagen eine genetische Disposition zur Verschwendung hätten. Ich hatte noch nie ein Minus auf meinem Konto. Ich bin eher der vorsichtige Typ. Wo andere Kredite nehmen, sage ich: Es geht nicht. Insbesondere mit mir anvertrauten Geldern gehe ich sehr korrekt um - regelrecht rigoros.

SZ: Was heißt das? Werden Sie wie Ihr Vater die Zahl der Ausdrucke am Kopierer kontrollieren?

Wagner: Ganz ehrlich: Da wir ja auch mit öffentlichen Geldern arbeiten, muss man so was im Griff haben. Da kann man nicht sagen, das interessiert mich nicht, ob hier sinnlos 400 Seiten ausgedruckt werden.

SZ: Schließen sich künstlerischer Anspruch und Sparzwang nicht aus?

Wagner: Es kommt immer drauf an. Es gibt Kostümbildner, die aus reiner Selbstbefriedigung die edelsten Stoffe haben wollen, deren Qualität man aber schon in der ersten Zuschauerreihe gar nicht mehr erkennen kann. Da sage ich dann: Das muss nicht sein. Ich weiß genau, was für Bayreuth finanziell ein "No-go" ist.

SZ: Sind Sie privat auch so sparsam? Wagner. Eigentlich schon. Aber ich habe natürlich auch ein paar Leidenschaften. SZ. Welche denn?

Wagner: Ach je, für vieles gebe ich gar nicht viel Geld aus, für Kleidung beispielsweise. Aber bei Taschen, das ist furchtbar ...

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SZ: Wie meinen Sie das?

Wagner: Bei Louis-Vuitton-Handtaschen werde ich schwach. Das soll aber keine Schleichwerbung sein; es ist einfach ein Spleen.

SZ: Wie viele Taschen haben Sie denn?

Wagner: (zögert): Viele.

SZ: Zurück nach Bayreuth. Die Festspiele sind ein Wirtschaftsunternehmen, darf man das überhaupt sagen oder ist das zu despektierlich?

Wagner: Nö, gar nicht. Zum einen machen wir Kunst, zum anderen haben wir einen bestimmten Haushalt, den wir präzise planen und dann auch einhalten müssen.

SZ: Über wie viel Geld reden wir denn?

Wagner: Das Budget beträgt für 2008 14 Millionen Euro. Wir sind schon ein mittelständisches Unternehmen.

SZ: Ein Mittelständler, der dennoch die großen Stars kriegt. Können Sie die noch bezahlen?

Wagner: Die Gagen sind traditionell nicht verhandelbar. Es war immer eine Ehre, in Bayreuth auftreten zu dürfen.

SZ: Seit wann sind die Gagen fest?

Wagner: Seit ich denken kann.

SZ: Wir glauben, seit 1951 ist das so.

Wagner: So lange kann ich nicht denken, ich wurde erst 1978 geboren. Aber jedenfalls schon seit Urzeiten.

SZ: Die Stars der Szene kamen oft auch aus Verbundenheit zum Vater. Werden Sie als junge Festspielleiterin diese Bindung halten können?

Wagner: Es werden einige versuchen, neu zu verhandeln. Würde ich ja auch machen. Aber es wird nicht gehen. Wir haben nicht mehr Geld zu bieten. Wir können nur versuchen, den Mitwirkenden ihren Aufenthalt in Bayreuth so angenehm wie möglich zu machen.

SZ: Auch Ihre Mitarbeiter halten Sie knapp. Die Gehälter sind über viele Jahren nicht angehoben worden, jetzt gibt es erstmals wieder etwas mehr Geld.

Wagner: Was soll man denn machen! Sie können kein Geld ausgeben, das Sie nicht haben. Da müssen wir bei den Mitarbeitern immer wieder um Verständnis werben.

SZ: Und die Mitarbeiter verstehen das?

Wagner: Ja, wir haben natürlich sehr treue Mitarbeiter, die mit Enthusiasmus dabei sind.

SZ: Ihre Einnahmen kommen aus staatlichen und privaten Quellen. So erhalten Sie erhebliche öffentliche Subventionen, rund 4,5 Millionen Euro jährlich.

Wagner: Wo wir eine Eigenfinanzierungsquote von unglaublichen 60 Prozent haben. Bei 14 Millionen Budget sind 4,5 Millionen Euro eher wenig.

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SZ: Allerdings sind die öffentlichen Gelder seit der Zeit des SPD-Finanzministers Oskar Lafontaine eingefroren. Sie haben ja in Berlin gelebt. Haben Sie Lafontaine jemals die Leviten gelesen?

Wagner: Ich glaube, das hat mein Vater schon mehrmals sehr dezidiert auf oberfränkische Art und Weise getan.

SZ: Was bitte ist die oberfränkische Art und Weise?

Wagner: Es würde wahrscheinlich ungefähr so klingen: "Das ist Scheiße."

SZ: Fordern Sie höhere Subventionen?

Wagner: Was heißt fordern? Die öffentlichen Kassen sind ja auch leer. Aber man muss natürlich sehen, dass die allgemeine Preissteigerung unsere Kosten unentwegt erhöht. Wenn die öffentliche Hand immer auf dem Niveau von vor zehn Jahren bleiben will, dann kommen wir insgesamt nicht mehr rum.

SZ: Ist Subventionieren der Hochkultur eigentlich noch in Ordnung? Es profitiert doch vor allem die obere Schicht, Bayreuth hat ja ein ganz spezielles Publikum.

Wagner: Das ist das grundsätzliche Problem von staatlich finanzierten Dingen. Anderes wird ja auch finanziert, das nicht jeder nutzt. Auch wenn Sie kein Auto haben, finanzieren Sie die Autobahnen mit. Auch wenn Sie keine Kinder haben, finanzieren Sie den Spielplatz mit. Wenn Oper als Sache für die oberen Zehntausend gilt, sind wir selbst schuld. Es ist dann unsere Aufgabe, den Leuten zu erklären: He, Oper ist gar nicht langweilig und verstaubt, guckt es Euch doch wenigstens mal an.

SZ: Das ist leicht gesagt. Die Karten für Bayreuth sind teuer, und man bekommt ja gar nicht erst welche.

Wagner: Also, beim Preis müssen Sie jetzt fair bleiben: So teuer sind die Karten nicht, von 14 bis 208 Euro. Und was die Zugänglichkeit angeht, da müssen die Interessierten halt dranbleiben und immer wieder bestellen. Das ist doch beim iPhone nicht anders: Wenn das ausverkauft ist, müssen Sie sich halt auf eine Warteliste setzen lassen und vorbestellen.

Auf der nächsten Seite: Wie weit darf die Kommerzialisierung gehen?

SZ: Das Besondere an Bayreuth ist dennoch seine Exklusivität. Rund fünf Wochen Festspiele im Sommer, und dann ist wieder Schluss für ein Jahr.

Wagner: Wenn wir das aufbrechen wollten, würde es immens teuer. Sie brauchten ein festes Orchester und einen festen Chor. Da möchte ich mal die Stimmen hören, die uns Größenwahn vorwerfen. Und man würde ja auch das Charakteristische an Bayreuth kaputtmachen. Abgesehen davon wären es ohnehin die zukünftigen Gesellschafter und der Stiftungsrat, die dies beschließen müssten.

SZ: In diesem Jahr haben Sie zum ersten Mal die breitere Öffentlichkeit einbezogen. Ihre Inszenierung der Meistersinger wurde auf eine Großleinwand nach draußen übertragen und per Live Stream gegen Gebühr ins Internet gestellt.

Wagner: Ja, das sind neue Elemente, die man aber vorsichtig einsetzen muss. Das kann immer nur die Ausnahme bleiben. Aber eine schöne Aussnahme. Es kamen Leute zu uns hier ins Festspielbüro und haben vor Glück und Dankbarkeit geweint.

SZ: Das Public Viewing war gratis, dank des Sponsors Siemens. Fürs Internet mussten 49 Euro gezahlt werden. War das lukrativ?

Wagner: I wo! Wir sind froh, wenn die Kosten gedeckt sind. Sie ahnen ja nicht, was das Mieten eines Satelliten und anderes kostet.

SZ: Neben den öffentlichen Geldern sind Sie sehr stark auch vom Sponsoring abhängig. Ihr Hauptsponsor ist die Investmentbank Goldman Sachs, weitere Sponsoren kommen dazu, jetzt auch die Brauerei Maisel. Droht den Festspielen die totale Kommerzialisierung?

Wagner: Nein. Das mit der Brauerei war mir wichtig. Es handelt sich um die örtliche Brauerei, und der lokale Bezug darf nicht verloren gehen. Bayreuth hat sich immer auch durch eine gewisse Provinzialität ausgezeichnet.

SZ: Wie weit darf die Kommerzialisierung gehen?

Wagner: Es wird keine wahllosen Sachen geben. Sie können sich drauf verlassen: keine Banner im Foyer oder über der Bühne, keine Autos im Foyer. So viel Respekt vor der Kunst muss sein.

SZ: Heißt Respekt vor der Kunst auch Vergeistigung? Muss Wagner immer anspruchsvoll daherkommen?

Wagner: Ich bin gegen eine komplette Vergeistigung. Natürlich kann man bei Wagner viel und hochkompetent philosophieren. Aber man muss auch immer sehen:Was lässt sich davon auf die Bühne bringen. Geistiges Geschwafel passt da nicht hin.

SZ: Und die Aussage? Ihre Meistersinger lassen ja auch viele Fragen offen?

Wagner: Das hat Frau Merkel auch gesagt: Sie haben ja keine so richtige Aussage getroffen. Ja, habe ich geantwortet, das will ich ja gerade auch nicht. Ich will, dass die Leute sich ihre eigene Meinung bilden.

© SZ vom 12.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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