Kartellamt:Gerüstet für den Kampf

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Die Behörde bekommt mehr Handhabe gegen Digital-Konzerne. Bisher wurden solche Übernahmen nicht geprüft, weil die Umsätze unter den Grenzwerten lagen. Doch bei Internetfirmen geht es nicht um Umsatz, sondern um Daten.

Von Caspar Busse, München

Alle zwei Jahre veranstaltet das Bundeskartellamt eine weltweit beachtete Tagung zur Wettbewerbspolitik, die Internationale Kartell-Konferenz. Manche sprechen gar vom "Davos der Kartellexperten", in Anlehnung an das alljährliche Weltwirtschaftsforum in den Schweizer Bergen. In diesem Jahr gab es von den aus aller Welt nach Berlin angereisten Teilnehmern sogar Lob für Deutschland, für die neunte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Das ist gut zwei Wochen her, am vergangenen Freitag nun hat nach dem Bundestag auch der Bundesrat die Neufassung des GWB endgültig abgesegnet, jetzt kann sie in Kraft treten - mit einer Reihe wichtiger Neuerungen.

"Mit dieser Novelle machen wir das Wettbewerbsrecht fit für das digitale Zeitalter", sagt Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Auch Kartellamtspräsident Andreas Mundt ist zufrieden. Besonders bei Übernahmen in der Digitalwirtschaft bekommt die Behörde mehr Rechte, bislang wurde hier nicht geprüft, weil die Umsätze oft unter den Grenzwerten lagen. Künftig unterliegen auch Zusammenschlüsse der Fusionskontrolle, wenn das erworbene Unternehmen zwar weniger als fünf Millionen Euro Umsatz in Deutschland erzielt, der Kaufpreis aber über 400 Millionen Euro liegt. Gerade bei Internetfirmen geht es oft um Daten und nicht um Umsatz. "Daten sind inzwischen ein teuer gehandeltes Gut und ein Machtfaktor", sagt Zypries. So übernahm der US-Konzern Facebook den Nachrichtendienst Whatsapp für 19 Milliarden Dollar, obwohl der Umsatz zu vernachlässigen ist. Künftig soll das Kartellamt so Marktmacht im Internet, auch Netzwerk- und Skaleneffekte, besser prüfen können.

Außerdem regelt die Novelle die Haftung für Kartellbußgelder neu. Bislang konnten sich Unternehmen durch Umstrukturierungen Strafen entziehen, der Fleischunternehmer Tönnies etwa hatte dies genutzt und ersparte sich Strafen von 128 Millionen Euro - die Möglichkeit zur Umgehung ist deshalb unter dem Namen "Wurstlücke" bekannt. Künftig können Geldbußen wegen Kartellrechtsverstößen nicht nur gegen die handelnde Tochtergesellschaft, sondern auch gegen die bestimmende Muttergesellschaft und gegen Nachfolger verhängt werden. Die Rechte von Kartellgeschädigten werden gleichzeitig gestärkt. Sie können Schadenersatz zukünftig einfacher geltend machen, etwa vor Gericht. Damit wird die EU-Richtlinie zum Kartell-Schadenersatz umgesetzt.

Darüber hinaus setzt die GWB-Novelle den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag um und erleichtert Kooperationen von Presseverlagen außerhalb der redaktionellen Ebene. Medienhäuser können nun trotz Wettbewerbsbedenken zusammenarbeiten, wenn dies "der Rationalisierung und Synergiegewinnung" dient. Das gilt für Werbung, Vertrieb, Herstellung und Zustellung. Auch Rundfunkfusionen werden künftig erleichtert.

Nicht umgesetzt wurde der Plan, das Kartellamt mit mehr Kompetenzen auszustatten und zu einer Art Verbraucherbehörde auszubauen. Das scheiterte am Widerstand der Union.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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