Karaoke-App:Doppelt geht gut

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Sie träumen von Hollywood, noch sind sie in der Nähe von Stuttgart: die Internetstars Lena (l.) und Lisa. Foto: dpa (Foto: Christian Charisius/dpa)

Zwei Mädchen aus Schwaben und ihr Anteil daran, dass ein Konzern aus China bis zu eine Milliarde Dollar für die App Musical.ly gezahlt hat.

Von Lea Hampel

Zunächst sieht es aus wie eine typische Start-up-Meldung, die den Laien staunen und den Fachmann neidgrün werden lässt: Die App Musical.ly wurde für einen Betrag von bis zu einer Milliarde Dollar an das chinesische Medienunternehmen Beijing Bytedance Technology verkauft. Beim genaueren Blick erstaunt das: Bei Musical.ly können Nutzer bis zu 15 Sekunden lange Clips hochladen, wo sie zu Film- und Musiksequenzen Lippen- und Körperbewegungen ausführen und von anderen bewerten lassen. Während noch einleuchtet, dass aus Asien Interesse kommt - Karaoke ist dort beliebter als hierzulande - erstaunt die Höhe des Betrages. Millionen Dollar für Schnuten mit Zahnspangen! Doch um das zu begreifen, muss der Blick nicht in die Ferne schweifen. Sondern nur nach Stuttgart. Von dort kommen die 15 Jahre alten Zwillinge Lena und Lisa M., ihres Zeichens zwei der erfolgreichsten Webvideo-Produzentinnen des Landes und seit einem ersten Video vor zwei Jahren die bekanntesten Muserinnen (so der Fachausdruck) der Nation. 24,5 Millionen Menschen folgen ihrem Account für Videos, in denen die beiden die Augenbrauen hoch- und die Lippen auseinanderziehen und tanzen. Auf Instagram kommen zwölf Millionen Follower hinzu.

Die schwäbischen Schülerinnen, von Fans "Leli" genannt, dürften keinen geringen Anteil am erzielten Verkaufspreis haben. Sie sind Aushängeschild der Plattform und längst selbst Unternehmerinnen: Es gibt Kapuzenpullover von ihnen (49,99 Euro), "Leliletten" genannte Gummilatschen (24,99 Euro) und andere Accessoires im Stil der beiden.

Wer das nun übrigens als Teenie-Quatsch abtun möchte, sei an zwei Dinge erinnert: Erstens haben vermutlich nicht wenige Vertreter älterer Generationen mit den Aufnahmefunktionen ihrer Musikabspielgeräte experimentiert - und können froh sein, dass verräterische Tonträger längst auf dem elterlichen Dachboden der Unverwendbarkeit entgegen dämmern. Und wer zweitens kommerziellen Teenie-Zwillings-Mädchenquatsch per se abtut, sei an die Verkaufszahlen der Hanni- und Nanni-Bände erinnert.

Wer dann immer noch nicht weiß, was das alles soll, dem hilft, mal wieder, das Internet: Auf der Website von Musical.ly gibt es neben der Rubrik "Über uns" auch eine, die heißt "Eltern". Da ist das ganze erklärt für Menschen, die sich nicht zu den sogenannten Digital Natives zählen. Die fängt mit dem schönen Satz an: "Hallo Eltern! Wir ermutigen Sie, eine aktive Rolle in der Internet-Erfahrung Ihrer Kinder zu spielen."

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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