Kanzlerkandidatin Merkel:Die sanfte Magie des Erfolgs

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Angela Merkel ist in der Deutschland AG angekommen. Seit das Ende von Rot-Grün absehbar ist, flirten Deutschlands Manager mit der Kanzlerkandidatin der Union.

Nikolaus Piper

Jürgen Großmann ist bekennender Frog. Der charismatische Stahlunternehmer aus Osnabrück (Georgsmarienhütte) gehört zu den "Friends of Gerd", jener Riege von Wirtschaftsführern, die zum amtierenden Bundeskanzler ein besonders enges Verhältnis pflegen und seine Politik unterstützen.

Angela Merkel bei ihrem Besuch im Stahlwerk in Georgsmarienhütte. (Foto: Foto: ddp)

Am Dienstagabend aber hatte Großmann Schröders mutmaßliche Nachfolgerin in seiner Firma zu Gast. Er mache ja gar keinen Hehl daraus, sagte Großmann, dass er "große Sympathie für eine bestimmte politische Kultur hier in Niedersachsen" habe - eine hübsche Umschreibung für die Nähe zwischen Bossen und Genossen. Doch wie sich Angela Merkel jetzt im Wahlkampf geschlagen habe, das nötige ihm Respekt ab.

Merkels Besuch bei Großmann stand schon im Februar fest, als noch niemand außer Gerhard Schröder ahnte, dass im Herbst ein neuer Bundestag gewählt werden würde. Nun, unter radikal veränderten Vorzeichen, verlegte Großmann den für einen kleinen Kreis geplanten Vortrag Merkels spontan aus seinem Restaurant "La Vie" in eine Fabrikhalle. Dort feierten 400 Wirtschaftsleute aus der ganzen Republik die künftige Kanzlerin.

Wirtschaft setzt auf Schwarz-Gelb

Die Feier bei Großmann illustriert: Angela Merkel ist in der Deutschland AG angekommen, Unternehmer und Manager haben die CDU-Vorsitzende akzeptiert, wenn auch vielleicht noch nicht in ihr Herz geschlossen. Die Wirtschaft setzt auf Schwarz-Gelb.

Bereits am vergangenen Samstag hatte Jürgen Thumann, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), ein paar Chefs zum Mittagessen mit Merkel geladen: Siemens-Chef Klaus Kleinfeld war dabei, Jürgen Hambrecht von der BASF, Wulf Bernotat (Eon), Ekkehard Schulz (Eon) und Hans-Peter Keitel (Hochtief). BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg, selbst CDU-Mitglied, sprach sich offen für Schwarz-Gelb und gegen eine große Koalition aus. Und auch beim World Economic Forum in Genf sprach Angela Merkel vor.

Zwar neigt die Wirtschaft tendenziell immer bürgerlichen Regierungen zu, trotzdem kommt das Merkel-Fieber in den Chefetagen einigermaßen überraschend. Noch bis vor kurzem sprachen sich die Bosse allenfalls in kleinem Kreis für einen Regierungswechsel aus, wobei die meisten am liebsten Schröder als Kanzler eines rot-schwarzen Bündnisses gesehen hätten.

Schröder, der "Kanzler der Reformen"

Ende Januar feierten die Spitzenmanager auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Schröder als "Kanzler der Reformen". Merkel nahm zwar in Davos zusammen mit FDP-Chef Guido Westerwelle und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) an einer Lunch-Diskussion zu den Wirtschaftsproblemen Deutschlands teil, hinterließ aber bei den Teilnehmern kaum einen bleibenden Eindruck. Auch die SZ titelte damals aus Davos: "Vorteil Schröder".

Alles änderte sich nach der NRW-Wahl am 22. Mai und dem Regierungswechsel in Düsseldorf. Seither ist die Kanzlerschaft Merkels eine realistische Option und die Magie des Erfolgs verändert auch ihr Verhältnis zur Wirtschaft. Einerseits tritt sie selbst in Unternehmerkreisen souveräner auf, anderseits spüren die Bosse, dass Merkel bald Macht haben könnte. So etwas verändert die Perspektive.

Geradezu genial war, jedenfalls was die Kommunikation in die Wirtschaft hinein betrifft, die Benennung des Steuerrechtlers Paul Kirchhof ins Kompetenzteam Merkels. Seither wird nicht mehr über die Mehrwertsteuer und ähnliche Ärgerthemen gesprochen, sondern über Visionen. Ein letztes starkes und positives Signal war die Entscheidung, Siemens-Aufsichtsrat Heinrich von Pierer als Innovationsberater zu holen.

Kluge Berater für Merkel

Anders als Schröder hat Merkel sich der Ökonomie nicht über die Praxis, sondern über die Theorie genähert. Sie versuchte als CDU-Vorsitzende erst einmal, ein kohärentes Programm zu entwerfen; das Ergebnis dieser Bemühungen wurde der Öffentlichkeit beim Reformparteitag der CDU 2003 in Leipzig präsentiert. Hinterher zeigte sich, dass viele Reformgedanken, etwa die radikale Gesundheitsprämie, unfertig und nicht durchgerechnet waren und teilweise zurückgenommen werden mussten. Manches, was Merkel seither an Wirtschaftskompetenz gewonnen hat, hat sie klug ausgewählten Beratern zu verdanken. Am wichtigsten dabei vermutlich der Chef von McKinsey Deutschland, Jürgen Kluge.

In einem Punkt wird das Verhältnis Merkels zu den Chefs immer anders bleiben als das Schröders: Es gibt mehr Distanz und weniger Rotwein.

© SZ vom 01.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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