Kali:Kanada lässt keinen kalt

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Besucher im Bergwerk von K+S am Standort Siegfried-Giesen im Kreis Hildesheim. K+S prüft dort einen Neustart, will aber erst im nächsten Jahr entscheiden. (Foto: Ole Spata/dpa)

Der Abwehrkampf des Kali-Produzenten K+S gegen die kanadische Potash beflügelt die Aktie.

Von Helga Einecke, Frankfurt

Norbert Steiner muss ran. Der Chef des deutschen Kali-Produzenten K+S stemmt sich gegen eine drohende Übernahme durch den kanadischen Konkurrenten Potash. Mit Volleinsatz versucht er, Investoren, Kreditgeber, Analysten mit seinen Argumenten zu überzeugen. Am Dienstag war er in Frankfurt, am Mittwoch stand London auf dem Programm. Roadshows nennen sich diese Dialoge. In normalen Zeiten sind sie Routine, dieses Mal nicht. Für Steiner geht es ums Ganze, um die Existenz von K+S, dem Dax-Unternehmen, das er über Jahre formte.

Der kanadische Konzern, mit dem Deutschen Jochen Tilk an der Spitze und weit größer als K+S, geht taktisch geschickt vor. Zweimal - Anfang Juli und Anfang August - schickten die Potash-Manager ungebetene Post in die K+S-Zentrale nach Kassel. 41 Euro je Aktie oder insgesamt acht Milliarden Euro wäre ihnen das deutsche Unternehmen wert. Sie garantieren mit Einschränkungen über fünf Jahre die 14 000 Arbeitsplätze, die Standorte, die Marke K+S und das Salzgeschäft. "Wir werden sukzessive konkreter", heißt es im Umfeld von Potash.

Für Steiner, Politiker und Umweltschützer aber noch nicht konkret genug. Welchen Sinn hat denn eine solche Übernahme, wenn es nicht um weniger Stellen und Standorte geht, die in Deutschland teurer sind als anderswo? Bisher ist die Offerte auch nicht mehr als eine unverbindliche Absicht, ein Versuch, das K+S-Management mit ins Boot zu holen und dadurch schneller ans Ziel zu kommen. Steiner und der K+S-Aufsichtsrat - mit Gewerkschaftsboss Michael Vassiliadis prominent besetzt - lassen sich nicht vereinnahmen. "Der Vorschlag ist nicht im Interesse des Unternehmens", weist der K+S-Chef das Ansinnen der Kanadier zurück. "Wir sind stark und brauchen Potash nicht." Die Stärke hat er eben erst mit den sehr guten Ergebnissen des ersten Halbjahres untermauert.

Haben die Manager in Kassel nur Angst um den eigenen Arbeitsplatz, den sie ja als Erste verlieren würden? Erhebliche Preisschwankungen am weltweiten Kali-Markt, einem Rohstoff, der vor allem in der Landwirtschaft gebraucht wird, sorgen immer wieder für Turbulenzen. Da sind starke Allianzen unter Kali-Unternehmen auch von Vorteil. K+S-Finanzvorstand Burkhard Lohr sagte bei der Präsentation der Halbjahres-Zahlen vergangene Woche: "Wir blockieren überhaupt nicht eine mögliche Transaktion." Aber der Preis sei viel zu niedrig, die Garantien nicht verlässlich genug. Noch frohlockt er: "K+S hat eine großartige Zukunft als unabhängiges Unternehmen."

Gespannt warten alle auf ein höheres Angebot der Kanadier

Die Garantien beschäftigten auch die Landespolitiker in Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Denn im Gebiet rund um die ehemalige deutsch-deutsche Grenze gilt K+S als großer und zuverlässiger Arbeitgeber. Zuletzt hatte die deutsche Wiedervereinigung vor 25 Jahren im Osten viele Arbeitsplätze im Kali-Bergbau gekostet, für die die Kumpels damals vergebens in den Hungerstreik getreten waren.

Dieses Mal geben sich nicht nur besorgte Landespolitiker in Kassel die Klinke in die Hand. Vor den Ferien widmete die hessische Regierung der Potash-Offerte eine große Landtagsdebatte mit verbaler Unterstützung für das Nein des Managements. Schließlich erreichte der sich anbahnende Übernahmekampf Berlin mit dem Wunsch, die Staatsbank KfW solle mit einer Sperrminorität bei K+S einsteigen und so das Unternehmen vor kanadischen Eignern bewahren. Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, stellte klar: "Ich lehne eine Staatsbeteiligung ab." Übernahmen seien natürliche Vorgänge in einer global aufgestellten Wirtschaft. Auch deutsche Unternehmen würden sich überall auf der Welt einkaufen. Hubertus Heil, Vize-Fraktionsvorsitzender der SPD, meinte: "Es ist nicht die Zeit, über bestimmte staatliche Interventionsinstrumente zu spekulieren."

Das sehen Umweltschützer etwas anders. Dort, wo K+S das Kali und Salz aus den Gruben holt, entstehen weithin sichtbare weiße Abraumhalden, Spitzname: Monte Kali. Was einige Kommunen als Touristenattraktion verkaufen, gilt den Kritikern als Menetekel für die Belastung der Böden und der Gewässer der Flüsse Werra und Weser. Sollten die Kanadier die Regie in Kassel übernehmen, könnten sie sich nicht mehr für die Salzhalden über und unter Tage verantwortlich fühlen. Die Allgemeinheit bliebe auf den Schäden sitzen, fürchtet der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND.

Während Politiker reden und Bürgerinitiativen warnen, haben die Eigentümer das Heft in der Hand. Gewonnen haben sie schon, denn der Aktienkurs hat seit Bekanntwerden der Übernahmeabsichten deutlich zugelegt, die gebotenen 41 Euro aber noch nicht erreicht . Aber der unübersichtliche Kreis der Aktionäre macht die Willensbildung intransparent. Eine K+S-Schnellumfrage unter den Privatanlegern, die 30 Prozent der K+S-Aktien halten, ergab zwar eine deutliche Ablehnung des bisherigen Potash-Angebots. "Da hat aber nur eine Minderheit von einer Minderheit geantwortet", geben Analysten zu bedenken. Auch deshalb legt sich Steiner in diesen Tagen vor den institutionellen Anlegern - Banken, Versicherungen, Pensionsfonds - so mächtig ins Zeug.

Die Ironie der Geschichte will es, dass die Zukunft von K+S tatsächlich in Kanada liegt: in einem neuen Abbaugebiet, das das deutsche Unternehmen mit Millionenaufwand unter dem Projektnamen "Legacy" gerade erschließt, auch weil sich die deutschen Gruben irgendwann erschöpfen. Die Technik ist simpel. Man bohrt zwei Löcher in die Erde, pumpt durch eines Wasser runter und holt aus dem anderen das Kali heraus. Im Gegensatz zu dem konventionellen Bergbau unter Tage spart das Personal und schafft Flexibilität, weil man die Pumpe jederzeit abstellen kann. Potash, so vermutet man bei K+S, ist vor allem scharf auf dieses neue Projekt, zumal es vor deren eigener Haustür liegt.

Bleibt Potash beim bisherigen Takt, wäre Anfang September der nächste Schritt fällig. Die Erwartung eines höheren Kaufpreises dämpfte Potash-Chef Tilk mit der Ansage, er wolle finanziell diszipliniert vorgehen. Sollten die Kanadier sich zu einem offiziellen, also feindlichen, Angebot durchringen oder das Management mit einer aufgebesserten Offerte überzeugen, dann kommen auch noch kartellrechtliche Überlegungen zum Tragen. In Europa, so heißt es, spielt der Wettbewerb keine Rolle, weil Potash hier nicht am Markt ist. Aber in Brasilien, China, eventuell auch in Nordamerika, könnte die Marktmacht einer Potash samt K+S zu groß sein und auf Widerstand stoßen.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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