Jungunternehmer:Minderjährig und Geschäftsführer

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Rubin Lind hat mit seiner App "Skills4School" bereits viele Gründerwettbewerbe gewonnen. (Foto: Lukas Hoppe)

Wenn sich Jugendliche selbständig machen wollen, warten einige Probleme: Finanzierung, Bürokratie und fehlendes Vorwissen. Vor allem die Schulen müssten hier besser unterstützen, fordert die Gründer-Szene.

Von Frida Preuß, Köln

Rubin Lind ist 21 und seit vier Jahren Geschäftsführer seines eigenen Unternehmens. Er hat weder eine Ausbildung gemacht, noch BWL-Seminare an der Uni besucht. Und trotzdem: Seine Lern-App "Skills4School" zählt über 250 000 Downloads, er hat mit seiner Idee zahlreiche Gründerwettbewerbe gewonnen und führt ein Team mit mehr als 15 Mitarbeitern.

Noch als Schüler entwickelte Lind in Powerpoint den allerersten Prototypen von "Skills4School". Mit der Idee beeindruckte er bei Wettbewerben, finanzierte durch Preisgelder externe App-Entwickler und überzeugte schließlich sogar Investoren - und seine Eltern: Zwölf Monate gaben sie ihrem Sohn nach dem Abitur, um das Unternehmen profitabel zu machen. Wenn er sich danach nicht selbst finanzieren könne, solle er eine Ausbildung machen oder studieren gehen, sagten sie ihm. Doch er hat es geschafft, nach zehn Monaten war Lind so weit, dass er sich sein erstes Gehalt auszahlen konnte.

Hauke Schwiezer wünscht sich in Deutschland mehr Jugendliche vom Typus Rubin Lind. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer der Initiative Start-up Teens und versteht sich als Förderer der Generation Z - das sind alle, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind. "Es scheitert nicht an den Ideen der jungen Menschen, sondern an der fehlenden Befähigung in den Schulen", sagt er. Bei einer Analyse des jährlichen Global Entrepreneurship Monitors landete Deutschland in der Kategorie unternehmerische Schulbildung auf Platz 36, umgeben von Guatemala, Armenien und Bulgarien. Auf den vordersten Plätzen finden sich die Niederlande, die Arabischen Emirate, Qatar, Norwegen und Indien.

64 Prozent der 16 bis 25-Jährigen würden gerne ein eigenes Unternehmen gründen

Auch eine Umfrage des Finanzdienstleisters Transfer Wise unter europäischen Jugendlichen zeigt, dass 64 Prozent der 16 bis 25-Jährigen gerne ein eigenes Unternehmen gründen würden. Knapp drei Viertel der hierzulande Befragten kritisieren jedoch, dass dafür im Schulunterricht zu wenig Wissen vermittelt wird. Höchste Zeit zu handeln, heißt das für Schwiezer. Ihn ärgert die Untätigkeit der Politik: "Alle schreien, dass wir mehr Gründer brauchen, aber nichts passiert." Langfristig drohe so eine im internationalen Vergleich dramatische Entwicklung der Volkswirtschaft. Es seien deutlich mehr Inspirationsmöglichkeiten für junge Leute nötig, etwa durch Schülerfirmen und mehrere Praktika während der Schulzeit. Kernkompetenzen müsse man zudem schon den Kleinsten vermitteln. "Wir brauchen einen Programmier-Unterricht ab der ersten Klasse", fordert Schwiezer.

Die Initiative Start-up Teens will dort ansetzen, wo die Schulbildung aufhört. Neben einem Mentoring-Programm unterstützt die Plattform junge Gründer mit kurzen Videos zu betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen: Von der ersten Steuererklärung, über einen gelungenen Pitch bis zum soliden Finanzplan. Auch Programmierung rückt bei Start-up Teens immer mehr in den Fokus. Eine zehntausendfach geklickte Anleitung zum Bau einer eigenen App ist bereits online, bald gibt es zweimal wöchentlich neue Coding-Videos. "Man muss überlegen, ob Programmieren nicht das neue Latein ist", sagt der Jungunternehmer Julius de Gruyter. Gemeinsam mit seinen Freunden Kai Lanz und Jan Wilhelm hat der heute 18-Jährige im vergangenen Jahr die Anti-Mobbing-App Exclamo entwickelt, mit der sich betroffene Schüler via Chat anonym an Vertrauenspersonen wenden können.

Wilhelm programmiert seit er zwölf Jahre alt ist und hat die App technisch umgesetzt. "Man könnte natürlich auch alles auslagern, aber gerade in der Anfangsphase ist es gut, wenn zumindest einer selbst coden kann", sagt de Gruyter. Er selbst kann nicht programmieren, der Informatik-Unterricht war in seiner Schule nur freiwillig und Zeit hatte er neben seinen vielen Verpflichtungen dazu nicht.

Gründerstipendien gibt es fast ausschließlich für Studierende

Exclamo hat bei der jährlichen Start-up Teens-Challenge in der Kategorie Social gewonnen, dotiert mit einem Preisgeld von 10 000 Euro. Das ist für viele Gold wert, denn wer nicht aus reichem Hause kommt und ohne Finanzspritze der Eltern auskommen muss, steht schnell vor einem Problem: Es fehlt an Startkapital. Gründerstipendien gibt es fast ausschließlich für Studierende, Schüler fühlen sich häufig im Stich gelassen. "Leute, die direkt nach dem Abitur gründen wollen, fallen durch ein Raster", sagt de Gruyter.

Er weiß, dass er selbst schlichtweg Glück gehabt hat. Der Abiturient konnte nach der Schule weiter bei seinen Eltern wohnen, sie unterstützten ihn und hatten kein Problem damit, dass er nicht direkt eine Ausbildung oder ein Studium begann. Damit sich alle mit guten Ideen unabhängig vom finanziellen Hintergrund ihres Elternhauses selbständig machen können, fordert der 18-Jährige mehr finanzielle Unterstützung für gründungsmotivierte junge Leute. "Jeder sollte wenigstens die Möglichkeit haben, sich mal auszuprobieren." Exclamo kam zusätzlich zu dem Preisgeld durch eine Crowdfunding-Aktion an Startkapital. 15 000 Euro sammelten die Schüler auf diesem Weg ein.

Neben der Finanzierung gestaltet sich vor allem die formale Gründung des Unternehmens für Minderjährige kompliziert: Wer sich mit unter 18 Jahren selbständig machen will, muss mit einer Vollmacht seiner Eltern oder des gesetzlichen Vertreters zum Familiengericht. Die Rechtspfleger beurteilen dann, ob dem Jugendlichen unternehmerisches Handeln zuzutrauen ist. Weil das sehr lange dauern kann, tragen viele junge Gründer vorübergehend ihre Eltern, Geschwister oder Freunde als Geschäftsführer ein. Die drei Exclamo-Jungs schickten ihre Eltern vor und ließen sich die Unternehmensanteile erst nach ihrem 18. Geburtstag überschreiben.

Rubin Lind hingegen hat das Prozedere auf sich genommen, er wollte mit 17 Jahren selbst Geschäftsführer sein. Fast vier Monate habe das Verfahren bei ihm gedauert, erst sei sein Antrag abgelehnt worden, erzählt er. "Als ich davon gesprochen habe, Risikokapital aufnehmen zu wollen, war es für die Rechtspfleger direkt vorbei." Doch Lind gab nicht auf, holte sich ein Empfehlungsschreiben eines Förderers - und überzeugte so das Familiengericht.

Junge Frauen sind in der Start-up-Szene kaum dabei

Diesen bürokratischen Aufwand müsse man dringend abschaffen und eine gewöhnliche Unternehmensgründung schon ab 16 Jahren möglich machen, sagt Hauke Schwiezer. Dafür eigne sich besonders eine Unternehmergesellschaft, die sich bereits ab einem Euro Stammkapital gründen lässt. Zudem haften die Gesellschafter bei dieser Rechtsform nicht mit ihrem Privatvermögen, das ist gerade für unerfahrene Gründer attraktiv.

Wenn man sich in der Szene umschaut, fällt vor allem eines schnell auf: Junge Frauen sind kaum dabei. In diesem Jahr zählt Start-up Teens über 3000 Jugendliche und nur 15 Prozent davon seien weiblich, sagt Schwiezer. Das liegt in seinen Augen vor allem an falscher Konditionierung in jungem Alter. "In die Coding-Schule stecken viele Eltern eher die Jungs." Mädchen werde zudem oft eingeredet, Jungen seien in naturwissenschaftlichen Bereichen begabter. Auch de Gruyter und Lind schwärmen von ihrem breiten Netzwerk, doch Kolleginnen haben sie kaum. Fehlende weibliche Vorbilder seien ein großes Problem, sagt die Unternehmerin Géraldine Ulrichs. Sie hat nach dem Bachelor die Weiterbildungs-Plattform Xeem mitgegründet und will jetzt jüngeren Mädchen ein Vorbild sein. Bei Start-up Teens ist sie seit diesem Jahr Mentorin, doch auch dort ist sie bisher nur mit Jungen im Austausch. Ulrichs hofft, dass sich das bald ändert und sie auch junge Frauen zur Selbstständigkeit motivieren kann. Denn sie selbst ist froh den Schritt gegangen zu sein: "Ich wünschte mir, dass ich noch früher angefangen hätte."

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