Jobabbau bei Greenpeace:"Einzug des Neokapitalismus"

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Der deutsche Ableger von Greenpeace will die Gesamtorganisation stärker unterstützen. Weil diese ein neues Schiff braucht, zittern deutsche Mitarbeiter um ihre Jobs.

Michael Bauchmüller

Der Erfolg von Greenpeace lag immer auf dem Wasser. In Deutschland tauchten die Umweltschützer erstmals 1980 an der Wesermündung auf, als sie sich gegen die Dünnsäureverklappung in der Nordsee wehrten.

Ob Walfang, Robbenjagd oder Überfischung: Die größten Themen von Greenpeace spielten sich immer auf dem Wasser ab. (Foto: Foto: AFP)

In aller Welt ließ sich die "Rainbow Warrior" blicken, bis das Greenpeace-Schiff 1985 vom französischen Geheimdienst versenkt wurde. Später umkreisten Greenpeace-Boote die Ölplattform Brent Spar und lieferten Bilder von Umweltschützern irgendwo im Nordostatlantik im heroischen Kampf gegen den Ölmulti Shell.

Rainbow Warrior II

Im Jahr 2006 geht es wieder um ein Schiff, diesmal aber ganz anders. Die "Rainbow Warrior II", die Nachfolgerin des gekenterten Schiffes, soll bald ersetzt werden, aber diesmal richtig: "Wir wollen ein neues Schiff, nicht wieder ein umgebautes", sagt Brigitte Behrens, Chefin von Greenpeace Deutschland.

Kostenpunkt: bis zu 15 Millionen Euro, viel mehr als für die bisherigen Second-Hand-Schiffe. Selbst im Polarmeer soll der neue Regenbogen-Krieger kreuzen können. Acht Millionen Euro will allein der deutsche Greenpeace-Ableger dafür locker machen, der finanzkräftigste von allen.

Das alles erregte kein Aufsehen, gäbe es nicht parallel diesen hässlichen Stellenabbau: Mit betriebsbedingten Kündigungen, womöglich weniger Lohn bei längerer Arbeitszeit, mit Streichung aller möglichen Sonderleistungen, vom Kinderzuschuss bis zum Weihnachtsgeld. Bei Greenpeace regiert der Rotstift.

Deutsche Gelder für Afrika

Es ist eine Geschichte wie aus der großen Wirtschaft. Behrens, seit 1989 in der Geschäftsführung von Greenpeace, will den Kurs wechseln, und unter den Mitarbeitern herrscht Angst. "Wir wollen uns internationalisieren", sagt Behrens knapp.

Soll heißen: Von den deutschen Spenden fließt Jahr für Jahr mehr an die internationale Mutter in Amsterdam, die das Geld weiterverteilt, etwa für den Aufbau eines neuen Büros in Afrika. Da bleibt weniger für den Heimatstandort. "Ich hätte das alles auch gerne vermieden", sagt Behrens. "Aber ich muss das Interesse der Gesamtorganisation im Auge behalten." Die will an vorderster Front kämpfen, nicht in Industrieländern, und sie will ein neues Schiff.

Parallel strafft Behrens die Organisation, legt Abteilungen zusammen. Wer von den 217 Mitarbeitern bleibt und wer geht, wird sich zeigen. Zu sparen sind drei Millionen Euro. "Wir erleben den Einzug des Neokapitalismus", klagt einer. Die Streichung von Sozialleistungen soll zwar weitere Kündigungen verhindern, für viele ist sie aber ein Fanal.

Angst vor öffentlicher Kritik

"Bei Greenpeace zu arbeiten, war immer etwas Besonderes", sagt eine Greenpeacerin. "Das ist vorbei." Nur namentlich will keiner auftreten - noch sind die Kündigungslisten nicht geschrieben, Gespräche mit dem Betriebsrat laufen noch.

Ganz einfach werden die Verhandlungen nicht, denn dem Hamburger Verein geht es recht gut. Die Spendeneinnahmen stagnieren zwar, liegen aber konstant um die 40 Millionen Euro. Mehr als 550.000 Bundesbürger sind Fördermitglieder von Greenpeace, unterstützen die Organisation mit regelmäßigen Zuwendungen.

Jährlich werden es rund 20.000 mehr. "Die Einschnitte stehen in keinem Verhältnis zu unserer wirtschaftlichen Situation", sagt Betriebsrätin Christiane Sattler. "Und auch in keinem Verhältnis zu den Werten, die wir vertreten."

Die, immerhin, hatte Greenpeace 2003 in ein wortreiches Papier zur Personalpolitik gekleidet. "Auch in schwierigen Situationen", heißt es da, "leiten uns Vertrauen, Fairness sowie ein starker Wille, unsere Ziele gemeinsam zu erreichen." Jetzt steht der Anspruch auf der Probe.

© SZ vom 05.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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