Jamaika-Partner:Wir machen den Weg frei

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Die mutmaßlichen Jamaika-Partner treten als Redner beim Kongress der mächtigen Bergbau-Gewerkschaft auf. Und erkennbar wird: Die möglichen Koalitionäre wollen sich nicht mit Festlegungen den Weg nach Jamaika verbauen.

Von Michael Bauchmüller, Hannover

Die Drohung von Michael Vassiliadis war unmissverständlich. Bei den Kollegen in den Braunkohlerevieren, so sagte der Gewerkschaftsboss, gebe es reichlich Sorgen - "dass unsere Leute die Hochzeitsfeier von Jamaika bezahlen sollen". So ist die Lage bei der Bergbau- und Chemiegewerkschaft IG BCE, diese Woche beim Bundeskongress in Hannover. Denn wenn Union, FDP und Grüne zusammengehen, dann könnte der Ausstieg aus der Kohle einer der Kompromisse sein. "Wer seine Hochzeit auf dem Rücken anderer plant", schloss Vassiliadis, "für den gibts keine Flitterwochen."

Noch ist nicht einmal das Aufgebot bestellt, aber ein erster Flirt läuft. Am Donnerstag laufen gleich nacheinander mehrere angehende Koalitionäre in Hannover auf - erst die Kanzlerin, dann Grünen-Verhandler Jürgen Trittin, dann FDP-Chef Christian Lindner. Und nur einer der drei zeigt Anflüge von Krawall.

Die Kanzlerin etwa redet 45 Minuten, es ist ein eher allgemeiner Auftritt. Die Kanzlerin preist die Sozialpartnerschaft (Applaus), preist die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften (Applaus), verlangt "breites Internet" auch im letzten Winkel (Applaus). Dann redet sie noch über Nachhaltigkeit und Klimaschutz, und das ziemlich lange. Da schweigt der Saal.

Wenn es in Koalitionsgesprächen so ist, dass jeder am Ende mindestens ein Herzensthema durchsetzen muss, dann ist es um die Braunkohle womöglich schlecht bestellt - der Ausstieg aus ihrer klimaschädlichen Verbrennung ist das große Anliegen der Grünen. Das weiß auch Merkel - und greift zur List. Sie bedanke sich bei der Gewerkschaft dafür, "dass Sie die Nachhaltigkeit und das Pariser Klimaabkommen sehr unterstützen". Wer mag da schon widersprechen? Und weiter: "Wir sehen an den eigenen Entwicklungen hier in Europa, was das Wetter anbelangt, dass sich gravierende Veränderungen ergeben", sagt Merkel - wohlgemerkt vor einer der mächtigsten Industriegewerkschaften im Land.

Was nun die Energiewende angehe, erinnert Merkel an den Ausstieg aus der Steinkohle. "Wir haben das klug gemacht, indem wir das über viele Jahre gestaffelt haben, indem wir das in großem gesellschaftlichen Einvernehmen getan haben." Damit hätten sich viele Brüche vermeiden lassen. Auch der Ausstieg aus der Braunkohle müsse mit Menschen und Arbeitnehmer-Vertretern geklärt werden. "Da müssen wir unseren Kopf anstrengen", sagt Merkel.

Ganz offensichtlich ist sie damit den Grünen näher als der FDP. Kurz nach ihr ist Trittin an der Reihe, auch er betont das Verbindende. "Wir wollen die industrielle Wertschöpfung erhalten", sagt er. Bei einem Strukturwandel aber helfe es nicht, "die Augen zuzumachen und zu hoffen, es wird schon nichts passieren".

Dann kommt Lindner. Die FDP ist für die Gewerkschaften besonders schwer kalkulierbar, viele liberale Forderungen machen ihnen eher Angst. Heute aber ist der FDP-Chef der Industriegewerkschaft näher als jeder seiner Berliner Vorredner. "Wir kämpfen Schulter an Schulter für eine vernünftige Energiepolitik", sagt Lindner. Auch die Kohle verdiene eine Zukunft, entscheiden müsse das der Markt. "Aber wir wissen doch, wie das läuft", sagt er noch. "Die Grünen wollen einen Skalp."

Nach den Reden setzen die 400 Delegierten ihren Kongress fort, sie beraten unter anderem einen Antrag, der sich an Beschäftigte in den Braunkohlerevieren richtet: Dort solle eine "Qualifizierungsfonds" entstehen, damit die sich auf andere Berufe vorbereiten können. Er erhält keine Gegenstimme.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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