Jahresgutachten der "Fünf Weisen":Mehrwertsteuererhöhung ja - aber nur für Reformen

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Zusätzliche Milliardeneinnahmen sollten nach der Empfehlung des Sachverständigenrates nicht in die Haushaltssanierung fließen. Priorität hätten der Umbau von Steuer- und Sozialsystem.

Ulrich Schäfer

Der Sachverständigenrat der "Fünf Weisen" sprach sich dafür aus, die Mehrwertsteuer in Deutschland zu erhöhen und sparte nicht mit Kritik an Union und SPD. Die Mehreinnahmen dürften nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwandt werden, fordern die Ökonomen. Sie empfehlen, mit dem Geld radikale Sozial- und Steuerreformen zu bezahlen.

Die "Fünf Weisen" würden eine Erhöhung der Mehrwertsteuer mittragen - statt Haushaltssanierung müsste aber der Reformkurs Vorrang haben. (Foto: Foto: dpa)

Haushalt ohne Steuererhöhung sanieren

Die Fünf Weisen zeigen sich überzeugt, dass die Lücke in den öffentlichen Haushalten geschlossen werden kann, ohne die Steuern zu erhöhen. In ihrem Gutachten, das sie an Bundeskanzler Gerhard Schröder übergaben, raten sie "dringend davon ab, zu Zwecken der Haushaltskonsolidierung eine Erhöhung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer im nächsten Jahr vorzunehmen."

Sie verweisen dabei an anderer Stelle auch auf die geringe Kauflust der Bürger. Das Wachstum insgesamt werde 2006 nur ein Prozent betragen, getragen vom Export und den Investitionen, während der private Konsum wie in diesem Jahr wieder sinken werde.

Steuerrecht vereinfachen

Die Sachverständigen wollen sich die höhere Mehrwertsteuer stattdessen aufsparen, um damit Umbauten im Sozial- und Steuersystem zu bezahlen. So sprechen sie sich dafür aus, das Steuerrecht zu vereinfachen und eine duale Einkommensteuer einzuführen. In diesem System würden Arbeitseinkommen wie bisher mit einem ansteigenden Steuertarif belegt, während für Kapitaleinkünfte und Unternehmensgewinne ein einheitlicher Satz von 25 Prozent gilt.

Zudem sprechen sich die Fünf Weisen dafür aus, in den Sozialversicherungen sämtliche versicherungsfremden Leistungen über Steuern zu finanzieren. Dafür seien 65 Milliarden Euro vonnöten. Als versicherungsfremd definieren sie dabei alle Leistungen der Sozialkassen, die der reinen Umverteilung dienen. Dazu zählt etwa die kostenlose Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung oder die Finanzierung von ABM-Programmen durch die Arbeitslosenversicherung.

Das Gutachten des Sachverstaendigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung liegt am Mittwoch im Kanzleramt. (Foto: Foto: AP)

EU-Stabilitätspakt kann eingehalten werden

Die Fünf Weisen gehen in ihrem Gutachten davon aus, dass die schwarz-rote Koalition im nächsten Jahr nur sechs Milliarden Euro einsparen muss, um wieder die Schuldengrenze des EU-Stabilitätspakts von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einzuhalten. "Diese Summe kann allein durch den Abbau von Steuervergünstigungen und ohne eine Erhöhung des regulären Mehrwertsteuersatzes erzielt werden", schreiben sie.

Die Ökonomen schlagen vor, Eigenheimzulage und Pendlerpauschale zu kappen und die Vorteile für Steuersparfonds sowie den ermäßigten Mehrwertsteuertarif auf eine Vielzahl von Produkten zu streichen. Dies haben auch Union und SPD vor. Zudem empfiehlt der Rat, die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen einzuschränken oder die Übungsleiterpauschale zu streichen.

SPD sieht Gutachten skeptisch

In SPD-Kreisen hieß es, im nächsten Jahr müsse weit mehr Geld eingespart werden, als der Sachverständigenrat vorrechne. Das Defizit liege deutlich über der vom Rat genannten Marke von 3,3 Prozent der Wirtschaftsleistung; dieser hätte weder die Zusatzkosten der Arbeitsmarktreform berücksichtigt, noch die Möglichkeit, dass die EU-Kommission den Verkauf von Pensionsforderungen des Bundes nicht anerkennen werde. Die Fünf Weisen, hieß es, "verkennen eklatant die Größe der Konsolidierungsaufgabe, vor der wir stehen".

Der Regierung empfehlen die Wissenschaftler, in den nächsten vier Jahren ein umfassendes Reformpaket umzusetzen. In dessen Mittelpunkt müsse der Umbau des Regelwerks auf dem Arbeitsmarkt und des staatlichen Abgabensystems stehen. Sie raten dazu, das Tarif- und Arbeitsrecht zu flexibilisieren und die bisherige Arbeitsmarktpolitik einzudampfen. Ein-Euro-Jobs sollten befristet werden, das Arbeitslosengeld I auf ein Jahr begrenzt werden und die Tarifverträge mit mehr Öffnungsklauseln versehen.

Sachverständiger Bofinger pro Kündigungsschutz

Beim Kündigungsschutz empfehlen sie die Einführung des von der Union favorisierten Optionsmodells, bei dem ein Arbeitnehmer zwischen einer klar definierten Abfindung und dem Schutzrecht wählen kann. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger trägt diese Vorschläge seiner vier Kollegen nicht mit.

Die Fünf Weisen widersprechen der Skepsis gegenüber einer großen Koalition. Solch ein Bündnis könne "durchaus eine gute Basis für mutige und umfassende Politikmaßnahmen und die Fortsetzung des eingeschlagenen Reformkurses sein". Allerdings gebe es für die komplexen Probleme in Deutschland keine Patentlösungen, mahnen sie. "Die verbreitete Sehnsucht nach einfachen und rasch umsetzbaren Rezepten, mit denen die Beschäftigung schnell erhöht und die Volkswirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad katapultiert werden könnte, wird unerfüllt bleiben."

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