IWF-Prognose:Die Welt boomt - nur Deutschland nicht

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Ob in China, Indien, Russland oder den USA: Die Weltwirtschaft steht nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds vor dem stärksten Aufschwung seit langem. Nur an Deutschland geht der Boom vorbei.

Ulrich Schäfer

Der Internationale Währungsfonds rechnet damit, dass die Weltwirtschaft auch in den nächsten beiden Jahren mit mehr als vier Prozent wachsen wird. Der IWF spricht vom stärksten Aufschwung seit langem. Deutschland nützt das kaum: Der IWF erwartet für 2006 ein Plus von 1,4 und für 2007 von 1,0 Prozent.

Enorme Wachstumsraten: Pudong, das Finanzzentrum Shanghais bei Nacht. (Foto: Foto: AP)

Die Ökonomen aus Washington sind in ihrem noch unveröffentlichten "Weltwirtschaftsausblick" damit deutlich zurück haltender als die meisten Wirtschaftsforscher in Deutschland.

Deutsche Experten optimistischer

Während deutsche Banken und Institute ihre Prognosen für das laufende Jahr bereits kräftig nach oben korrigiert haben, hat der IWF seine Prognose gegenüber dem vergangenen Herbst lediglich um 0,1 Prozentpunkte erhöht.

Für 2007 hat er sie sogar um einen halben Prozentpunkt gesenkt - dann will die Bundesregierung die Mehrwertsteuer erhöhen. Deshalb dürften nach Angaben des IWF auch die Verbraucherpreise kräftig zulegen: Die Preissteigerungsrate werde in diesem Jahr 1,9 Prozent betragen und damit dem Niveau der vergangenen Jahr entsprechen, 2007 werde sie auf 2,5 Prozent klettern, den höchsten Wert seit langem.

In allen anderen Regionen der Welt, in Asien, Nordamerika, aber auch in Westeuropa, wird sich der Aufschwung dagegen im nächsten Jahr ungebremst fortsetzen.

Hoher Ölpreis

Natürlich gebe es "anhaltenden Gegenwind durch den hohen Ölpreis", räumen die IWF-Ökonomen ein. Doch dies werde durch andere Entwicklungen kompensiert, mit denen der Fonds rechnet: So würden die großen Unternehmen einen Teil ihrer außergewöhnlich dicken Finanzpolster investieren; auch blieben die Bedingungen an den Finanzmärkten weiter "sehr günstig, charakterisiert durch ungewöhnlich niedrige Risikoprämien und Marktschwankungen". Auch die Geldpolitik werde wohl mit günstigen Zinsen dem Wachstum weiter helfen.

Unterm Strich, so rechnen die IWF-Ökonomen vor, werde die gesamte Weltwirtschaft deshalb in diesem Jahr um 4,8 Prozent wachsen - das ist ein halber Prozentpunkt mehr, als der Fonds noch im Herbst vorausgesagt hatte. Nächstes Jahr sollen es dann 4,7 Prozent sein - drei Zehntel mehr als bei der letzten Vorschau.

Zunehmender Welthandel

Zum vierten Mal in Folge werde die Weltwirtschaft damit in diesem Jahr "mit mehr als vier Prozent wachsen", schreibt der IWF. "Der jetzige Aufschwung ist damit der stärkste seit vielen Jahren." Auch der Welthandel werde in diesem und im nächsten Jahr "mit Raten von annähernd zehn Prozent wachsen", was allen Regionen der Erde nützt.

So rechnen die IWF-Ökonomen damit, dass die Euro-Zone im laufenden Jahr mit 2,0 Prozent und im nächsten Jahr mit 1,9 Prozent wachsen wird. "Die Euro-Zone", heißt es in dem Bericht, "scheint an Fahrt zu gewinnen, wobei sie aber - da die Binnennachfrage nach wie vor schwach ist - durch interne oder externe Schocks verwundbar bleibt."

Für die USA sagt der IWF ein Plus von 3,3 Prozent im laufenden und von 3,6 Prozent im kommenden Jahr voraus. Besonders dynamisch wird die Wirtschaft in Russland, China und Indien wachsen.

Russland und China besonders dynamisch

Die Russen dürfen in diesem Jahr auf ein Plus von 6,0 Prozent hoffen; im nächsten Jahr soll es 5,8 Prozent betragen. Für China erwartet der IWF in den nächsten Monaten einen Zuwachs von 9,5 Prozent und für 2007 dann von 9,0 Prozent.

Die Zahlen gehen aus dem Entwurf für den Weltwirtschaftausblick hervor, den der Fonds vor seiner Frühjahrstagung Ende April in Washington veröffentlichen wird. Der Entwurf berücksichtigt die Entwicklung bis Ende März und wird in den nächsten Wochen noch aktualisiert.

Der IWF zeigt sich in seinem Bericht davon überrascht, dass die Inflationsraten überall "erstaunlich niedrig" geblieben sind. So habe der Anstieg des Ölpreises "die Kerninflationsrate bislang kaum beeinflusst, und auch die Inflationserwartungen sind einigermaßen konstant geblieben".

Gestärkte Notenbanken

Dazu habe auch die Politik beigetragen. Diese habe seit Mitte der 80er Jahre das System der Notenbanken gestärkt und zudem seit den 90er Jahren die Staatsdefizite abgebaut.

Der IWF hält es für möglich, dass die Prognosen für die Weltwirtschaft in diesem Jahr sogar noch übertroffen werden könnten. Möglich sei dies, wenn die Unternehmen stärker als erwartet investieren - oder wenn die Schwellenländer wie China oder Indien noch dynamischer wachsen, als ohnehin vorausgesagt.

Vier Risiken

Es gebe aber auch vier Risiken und die könnten, so warnt der IWF, umso bedeutsamer werden, je länger der Aufschwung anhält. So könnte erstens der hohe Ölpreis irgendwann doch auf die Inflationsraten durchschlagen. Zweitens könnten sich die Bedingungen an den Finanzmärkten verschlechtern - insbesondere wenn die Immobilienmärkte einiger Länder zusammenbrechen. Drittens drohen nach wie vor Gefahren durch das hohe Außenhandelsdefizit der USA. "Es gibt die Gefahr einer abrupten, ungeordneten Korrektur", warnt der IWF, das globale Wachstum könne dadurch kräftig sinken. Und viertens könnte eine Vogelgrippe-Pandemie im schlimmsten Fall "extreme menschliche und wirtschaftliche Kosten haben, insbesondere in den Entwicklungsländern".

© SZ vom 11.04.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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