Italien:Volle Rückendeckung trotz schlechter Werte

In Rom sind sie die schlechte Luft gewohnt. Auch deswegen interessiert Diesel kaum.

Von Ulrike Sauer, Rom

2015 kam die Potenzpille für italienische Autos. Im TV-Spot greift der Herr in den Badezimmerschrank. In hohem Bogen fliegt die blaue Pille am aufgerissenen Mund vorbei aus dem Fenster und landet im Tank eines Fiat 500. Folge des Missgeschicks: Das Stadtauto schwillt an und rollt als Geländewagen 500X davon. Ein "Auto der Wende" sollte es sein. Es wurde zum Auto des Ärgers. Der kleine SUV steht im Mittelpunkt der Nachforschungen im Dieselskandal.

Das deutsche Kraftfahrtbundesamt erhob den Vorwurf gegen Fiat Chrysler Automobiles (FCA), unzulässige Abgaseinrichtungen eingebaut zu haben: offenbar sehr simple Zeitschaltuhren. FCA-Konzernchef Sergio Marchionne wehrt die Vorwürfe monoton ab: "Nach geltendem Recht sind Fiat-Dieselmotoren in Ordnung." Der Automanager genießt dabei völlige Rückendeckung der italienischen Regierung. Dass ausgerechnet die Deutschen in Italien den Saubermann spielen, wird in Rom als dreiste Einmischung empfunden. "Bei Dieselabgasen akzeptiert Italien keine Lektionen", sagt der Umweltminister. Dobrindts Rückruf-Forderung für die Modelle Fiat 500X, Fiat Doblò und Jeep Renegade wies Amtskollege Graziano Delrio als "unzulässig" zurück, weil die nationalen Zulassungsbehörden zuständig seien. Und: "Fiat Chrysler setzt keine unzulässigen Abschalteinrichtungen ein", heißt es aus seinem Haus.

Die Dieseltests des Verkehrsministeriums seien so fragwürdig gewesen, dass sie eine klare Absicht der Regierung an den Tag legten, die Autohersteller zu schützen, monierten Umweltschützer. Notiz nahm davon kaum jemand in der Öffentlichkeit. Zumal die Italiener die Folgen schon lange kennen: Im Winter gehören in vielen Städten Fahrverbote wegen zu hoher Luftverschmutzung wie der Panettone zum Weihnachtsessen.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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