Italien:Bitte anschnallen

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Bei den ohnehin schwer angeschlagenen Banken ist die Furcht vor dem Referendum besonders groß. Hier eine Filiale der Banca Popolare di Milano in Mailand. (Foto: Giuseppe Cacace/AFP)

Nach Brexit und der Trump-Wahl drohen nun Turbulenzen durch das Verfassungsreferendum von Premier Renzi. Mit der ganz großen Krise rechnen Finanzleute aber nicht.

Von Ulrike Sauer, Rom

Folgt auf Brexit und Trump nun der Renzit? Nach den Schockwellen der vergangenen Monate blicken die Anleger auf den internationalen Finanzmärkten gebannt auf Italien. Am 4. Dezember stimmen die Wähler über die Verfassungsreform von Premierminister Matteo Renzi ab. Die Nervosität wächst seit Wochen. Die römische Zentralbank warnt nun explizit vor Turbulenzen auf den Kapitalmärkten in den ersten Dezembertagen. Das soll wohl heißen: Bitte anschnallen.

Die Unruhe breitet sich in Italien schon seit dem Sommer aus. Der Anstieg der Risikoprämie für italienische Staatstitel hat Europas größtes Schuldenland aufgeschreckt. Die Zinsdifferenz zu zehnjährigen Bundesanleihen ist auf mehr als 180 Basispunkte gesprungen. Das bedeutet, dass Italien für seine Staatsanleihen einen Zinssatz zahlt, der 1,8 Prozentpunkte über dem deutschen Niveau liegt. Und zwar, obwohl die EZB in Frankfurt stützend eingreift. In den vergangenen 14 Tagen wuchs der Unterschied um 20 Punkte. Zugleich verstärkten sich auch die Kursschwankungen an der Mailänder Börse. "Diese Unsicherheit wird weiter anhalten", schreibt die Zentralbank in ihrem halbjährlichen Bericht zur Finanzstabilität. Und zwar solange nicht abzusehen sei, welches innenpolitische Szenario sich nach der Volksbefragung abzeichnen wird.

Die Gegner der Reform führen in den Umfragen. Viele sind noch unentschieden

Finanzminister Pier Carlo Padoan versucht, die Spannungen zu dämpfen. Er erklärt den Zinsanstieg als Folge der amerikanischen Inflationserwartungen. "Die Zinsen sind in ganz Europa gestiegen. Es besteht kein Italien-Risiko, die Nervosität resultiert aus der Ungewissheit über die Fortsetzung der Reformen", sagt der Minister.

Besonders hart trifft die Unsicherheit Italiens schwer angeschlagene Banken. Die Marktturbulenzen stellten "Umsetzungsrisiken" für den komplexen Rettungsplan des toskanischen Kriseninstituts Monte dei Paschi di Siena dar, warnt die Zentralbank. Bei einer Niederlage Renzis wäre die geplante Kapitalerhöhung kaum zu realisieren, meint man bei Goldman Sachs. Die amerikanische Investmentbank sieht zudem die Gefahr eines Domino-Effekts für die anderen Geldkonzerne, die in den kommenden Monaten Milliarden einsammeln müssen. Als nächste will die Mailänder HVB-Mutter Unicredit am 13. Dezember ihre Pläne für eine Stärkung der Kapitalbasis enthüllen.

In zehn Tagen stimmen die Italiener über eine tief greifende Neugestaltung der politischen Institutionen ab. Für die Finanzmärkte steht viel auf dem Spiel. Rafft sich Italien nach drei Jahrzehnten Blockade zum Wandel auf? Oder scheitert der Reformer Renzi? 1000 Tage nach seinem Antritt als Regierungschef hat Italien zwar die schwerste Rezession seiner Geschichte überwunden, ein nachhaltiger Aufschwung blieb aber aus.

In den Umfragen liegen die Reformgegner klar vorn. Ein Viertel der Wähler ist allerdings noch unentschieden. Die Unsicherheit ist ein idealer Humus für die Spekulation. Gewiss ist nur: Italien wird sich verändern - so oder so.

Wenn das Volk mit Nein stimmt, fürchtet der Industrieverband ein "politisches Chaos"

Die Wirtschaft trommelt emsig für Renzis Reform. In einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg sagten 41 von 42 Topmanagern, sie würden der Verfassungsreform zustimmen. 94 Prozent davon begründen das damit, dass der politische Entscheidungsprozess vereinfacht und so die Wirtschaft und die Investitionen angekurbelt würden. Die Konjunkturforscher des Industrieverbandes Confindustria warnten im Juli für den Fall des Scheiterns der Verfassungsreform mit einem Rückfall in die Rezession. Die Ablehnung würde Italien in ein "politisches Chaos" stürzen. Ein Nein hätte einen Anstieg der Zinsen für Staatsanleihen, Kapitalflucht und einen Vertrauensschwund bei Verbrauchern und Unternehmen zur Folge. Damals rechnete man noch mit einer Mehrheit für die Reform. Heute sagt fast niemand mehr eine wirtschaftliche Katastrophe beim Sieg des Neins voraus.

Auch die internationalen Banken senden nun beinahe täglich beruhigende Botschaften aus. Eine Niederlage Renzis sei zwar schlecht, aber "zu managen", versichert Morgan Stanley. Sie sei "kein Weltuntergang", kommentiert die britische Bank Barclays. Credit Suisse erwartet für den Fall eines Nein-Siegs Unruhe auf den Märkten, aber "keine systemischen Probleme".

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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