Interview mit Swatch-Gründer Hayek:"Die Manager dienen der falschen Religion"

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Der Präsident des Verwaltungsrates der Swatch-Gruppe stand der Süddeutschen Zeitung Rede und Antwort über das Geschäft mit dem Luxus, die gefährlichen Signale der Börse und sein ökologisches Auto.

Interview: Karl-Heinz Büschemann und Elisabeth Dostert

(SZ vom 13.12.03) - Der Unternehmer Nicolas Hayek, der in den achtziger Jahren die Schweizer Uhrenindustrie mit Produkten wie der Swatch rettete, hat für Investment-Banker wenig Verständnis. Analysten seien nicht in der Lage, unternehmerisch zu denken. Als Erfolgsrezept empfiehlt der 75-Jährige, sich nicht vom Shareholder-Value-Denken beeindrucken zu lassen. Für die Wirtschaft entscheidend seien Unternehmer, die mit modernen Produkten neue Arbeitsplätze schaffen. Die Lage seiner Firmen sei "relativ gut", sagte Hayek im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Luxusuhren seien besonders gefragt.

Wendet sich gegen das Shareholder-Value-Denken: Nicolas Hayek (Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Hayek, was läuft besser, das Geschäft mit günstigen Uhren wie der Swatch oder das Luxussegment mit Marken wie Omega, Breguet oder Glashütte?

Nicolas Hayek: Die Luxusmarken gehen sehr gut, vor allem in Nordamerika, in Japan, Großbritannien und China. Wir haben mit Breguet die beste Uhrenmarke der Welt. Breguet war der Uhrmacher der Zaren und Könige. Diese Marke verkauft sich blendend und wächst jährlich um 42 Prozent. Die billigste Breguet-Uhr kostet etwa 20000 Euro. Jeder Russe, der etwas auf sich hält, muss eine Breguet haben. Aber auch Swatch verkauft sich gut.

SZ: Haben Sie eine Erklärung dafür, schließlich leben wir in einer Zeit der Wirtschaftskrise und des Sparens?

Hayek: Es gibt kaum andere Investitionsmöglichkeiten. Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in die Börse. Dort haben viele Anleger ihr Vermögen verloren. Auf dem Bankkonto bekommt man nur wenig Zinsen. Also investieren sie lieber in Luxusuhren. Das ist kein Konsumprodukt wie Champagner oder Kaviar. Luxusuhren sind keine Verschwendung, sondern eine lukrative Anlage, wie ein Kunstwerk.

SZ: Wie ist das Jahr 2003 für die Swatch-Gruppe gelaufen?

Hayek: Das Jahr 2003 war sehr schwierig. Der Krieg im Irak, der anhaltend starke Schweizer Franken und die schlechte Stimmung der Konsumenten in Deutschland und Frankreich haben uns belastet. Das Geschäft in Asien und Nordamerika lief erstaunlicherweise sehr gut. Russland läuft blendend. Der Swatch-Gruppe geht es relativ gut.

SZ: Sie wollen Ihre Schmuck-Aktivitäten ausbauen. Wie weit sind Ihre Verhandlungen über Zukäufe gediehen?

Hayek:Wir haben noch keine Firma gefunden, die es wert ist, dass wir sie kaufen.Wir bauen gerade eine eigene Fabrik. Noch ist der Umsatzanteil mit drei bis vier Prozent allerdings sehr bescheiden.

SZ:Wer sind für Sie ideale Kandidaten für eine Übernahme?

Hayek: Tiffany, Cartier. Aber die sind nicht zu haben. Gute Firmen sind im Moment nicht auf dem Markt.

SZ: Bei Schmuck haben Sie aber keine starke Marke.

Hayek: Falsch, Breguet-Schmuck hat eine lange Tradition. Ein Schmuck-Set, das aus Ring, Ohrgehänge und passender Halskette besteht, verkaufen wir spielend für eine Million Franken. Bei Swatch hatten wir einige Anlaufschwierigkeiten in unseren eigenen Läden. Unsere Verkäufer wollten davon lange nichts wissen, weil sie Uhrenverkäufer sind. Jetzt geht es aber sehr gut.

SZ: Wer kauft denn Swatch-Schmuck? Das klingt nach Plastik.

Hayek: Für Sie vielleicht. Für junge Leute ist das die Summe der Schönheit und des Snobismus. Genauso wie ein Smart-Auto.

SZ: Läuft das Geschäft in Ihren eigenen Läden besser als beim fremden Handel?

Hayek: Das ist unterschiedlich. Das Potenzial für eigene neue Läden ist noch riesig. Allein bei der Marke Omega halte ich 100 eigene Läden für realistisch, bisher sind es erst acht. Allerdings wollen wir auch langfristig nicht mehr als zehn Prozent des Gruppenumsatzes in eigenen Läden erwirtschaften. Unsere Handelspartner können das besser. Wir können uns nicht den gesamten Markt einverleiben von der Herstellung bis zum Vertrieb.

SZ: Sie werden kritisiert, weil Sie andere Schweizer Uhrenhersteller nach 2006 nicht mehr wie bisher mit Uhrwerken beliefern wollen. Es heißt, Sie würden damit die Konkurrenten in den Ruin treiben.

Hayek: Unsinn. Ich will die anderen doch nur aufwecken. Einige Anbieter verkaufen ihre Uhren über riesige Werbeetats. Die handwerkliche Basis aber haben sie aufgegeben. Sie verkaufen unsere billigen Werke in Uhren, die das Hundertfache kosten. Das muss sich wieder ändern. Vor 20 Jahren habe ich 100 Uhrenfabriken in der Schweiz vor der Schließung oder dem Verkauf bewahrt. Omega sollte an die Japaner verkauft werden. Ich habe die Swatch eingeführt, um 6000 Arbeitsplätze zu retten. Und jetzt helfe ich der Schweizer Uhrenindustrie wieder. 98 Prozent aller Uhrenfirmen erhalten alle Teile, die sie brauchen, von uns. Die zwei Prozent, die unsere Rohuhrwerke wollen, haben fünf Jahre Zeit, ihre eigenen Werke zu entwickeln, anstatt sie bei uns zu kaufen.

SZ: Sie wollen Ihre Konkurrenten zu Innovationen zwingen?

Hayek: Genau. Ohne Innovation kann eine Industrie nicht überleben.

SZ: Viele Uhrenhersteller klagen. Sie dagegen sind erfolgreich. Was machen ihre Konkurrenten falsch?

Hayek: Es ist ein allgemeines Problem. In Deutschland und der Schweiz glauben wir zu stark an Shareholder Value und an die smarten jungen Herren mit den Harvard-Abschlüssen. Damit haben wir unsere ganze Industrie kaputt gemacht.

SZ: Wie das?

Hayek: Wir brauchen Unternehmer, die mit neuen Produkten Arbeitsplätze schaffen und nicht schneidige Manager mit glänzenden Abschlüssen von Eliteuniversitäten. Wenn man einen Esel in die Musikschule von Salzburg schickt, wird daraus kein Mozart, und wenn man ein Kamel nach Harvard schickt, wird daraus kein Henry Ford. Die Börsen senden die falschen Signale aus.

SZ: Was meinen Sie damit?

Hayek: Die Börsen vermitteln das Gefühl, dass man leicht Geld verdienen kann, ohne etwas zu tun. Die jungen Menschen glauben, man sei schon Unternehmer, wenn man am Bildschirm mit Aktien handelt. Und die Manager, die unsere Firmen führen, glauben, es komme nur darauf an, am Ende des Jahres einen guten Jahresbericht zu schreiben, damit die Medien zufrieden sind und die Aktien steigen.

SZ: Steigende Börsenkurse können kein Fehler sein.

Hayek: Die Manager dienen der falschen Religion. Sie investieren weniger in Innovationen und die Zukunft eines Unternehmens, weil sie hohe Gewinne zeigen und Dividenden ausschütten müssen. Aber, verdammt noch mal, wo sind die Tugenden von Männern wie Krupp, Siemens oder Ford, die Unternehmen gegründet haben. Sie existieren nicht mehr, weil wir nicht mehr an sie glauben. Ein Unternehmer ist ein Künstler, wie ein Picasso, er produziert neue Dinge und er verkauft sie. Und was macht ein Manager? Er übernimmt eine Firma, die schon existiert und versucht, so viel Geld wie möglich zu verdienen.

SZ: Sie sind mit Ihrem Unternehmen selbst an der Börse. Warum sind Sie dann so kritisch?

Hayek: Als ich die Firma kaufte, wollten die Banken mir nicht alle Aktien geben, sondern nur 51 Prozent. So konnten sie den Rest zum siebenfachen Kurs an die Börse bringen. Ohne mich als Großaktionär hätten sie das nicht geschafft. Aber seitdem habe ich die Börse am Hals. Wenn ich jetzt ein Angebot zum Kauf der restlichen Anteile machen würde, gingen die Kurse durch die Decke. Das könnte ich nicht bezahlen.

SZ: Aber wie halten Sie sich die Analysten mit ihren Empfehlungen vom Leib?

Hayek: Analysten sind nicht in der Lage, industriell zu denken. Die lachen über mich, weil ich Ihnen immer wieder sage: Ich liebe Euch alle! Die haben aus mir, der beim Kauf des Unternehmens 200 Millionen Franken Vermögen besaß, einen Multimilliardär gemacht. Die Investment-Banker haben damals nicht an meine Strategie geglaubt. Heute ist das Unternehmen 100 mal so viel wert und ich bin ein reicher Mann.

SZ: Sie sind erfolgreicher Uhrenunternehmer. Warum wollen Sie jetzt noch ein Auto bauen, dass mit einem Hybrid-Antrieb funktioniert.

Hayek: Es ist nicht der Sinn unseres Lebens, dass wir nur Spaß haben. Wir müssen auch dafür sorgen, dass es anderen besser geht. Ein großes Problem ist der Umweltschutz. Wenn alle Chinesen und Inder in Autos mit den heutigen Verbrennungsmotoren fahren, gibt es in 100 Jahren keinen Sauerstoff mehr für das Leben. Wir brauchen ein ökologisches Auto, das für alle erschwinglich ist. Wie die Swatch Uhr, die genau geht, die lustig aussieht und nicht viel kostet.

SZ: Was soll das genau für ein Antrieb sein?

Hayek: Er soll mit Diesel laufen und mit einem Generator Strom erzeugen, der vier Elektromotoren an den einzelnen Rädern antreibt. Ein solches Auto braucht 70 Prozent weniger Energie als heutige Fahrzeuge.

SZ: Die Autoindustrie hat Sie damit aber schon vor zehn Jahren abblitzen lassen. Damals hat sich Mercedes den von Ihnen entwickelten Smart geschnappt, ist aber Ihrem Plan vom modernen Hybrid-Antrieb nicht gefolgt.

Hayek: Wer beim ersten Scheitern aufgibt, ist kein Unternehmer.

SZ: Die Autoindustrie denkt doch völlig anders als Sie.

Hayek: Stimmt. Die Vorstände denken an ihr eigenes Einkommen und statt wirklich neuer revolutionärer Entwicklungen, machen Sie ein bisschen mehr Chrom an die Karosserie oder sie geben dem Motor ein paar PS mehr.

SZ: Mit welchem Konzern verhandeln Sie denn über den Bau des Hybrid-Autos?

Hayek: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es ist ein großer Hersteller. Man braucht einen Partner, der ein Vertriebsnetz hat.

SZ: Sie haben in Ihrem Leben in den verschiedensten Branchen gearbeitet. Haben Sie ein Rezept für Erfolg?

Hayek: Drei Dinge sind wichtig. Man muss sich die Phantasie eines Sechsjährigen erhalten, der an das Unmögliche glaubt. Das muss auch ein Unternehmer tun. Zweitens: Man darf die Gesellschaft nicht so ernst nehmen. Ich bin immer ein Rebell geblieben. Das Dritte ist: Man darf dem Druck, den die Gesellschaft ausübt nicht nachgeben, sondern muss tun, was man für richtig hält.

SZ: Sie haben Ihr Unternehmen offiziell Ihrem Sohn übergeben, sind aber noch sehr aktiv. Wie groß ist Ihre Lust, sich zurückzuziehen?

Hayek: Ein Künstler zieht sich nie zurück. Auch ein Unternehmer tut das nicht. Ich habe meinem Sohn die operative Führung übergeben, bin aber noch Präsident des Verwaltungsrates, der sehr viel stärker ist als ein deutscher Aufsichtsratsvorsitzender. Ich kümmere mich um die strategische Ausrichtung der Firma, genehmige die Investitionen und ernenne Führungspersonal. Ich habe mich von vielen Funktionen zurückgezogen, aber nicht von meinen Tätigkeiten. Meine Lust, mich zurückzuziehen ist gleich null.

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