Integration:Engpass Sprachkurs

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An der Tafel: Sprachkurs für Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Die Industrie- und Handelskammern ziehen eine Zwischenbilanz zur Integration von Flüchtlingen. Das Wichtigste: Deutschunterricht.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Der Fachkräftemangel ist ein großes Sorgenkind der Wirtschaft. Kein Wunder, dass viele Firmen im Flüchtlingsstrom von 2015 nicht nur eine Krise sahen, sondern auch eine Chance. Daimler-Chef Dieter Zetsche sprach gar von einer möglichen "Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder".

Das Wunder aber war zunächst eher ein blaues, und die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt erweist sich bis heute als zäh. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), ist dennoch optimistisch. "Das Engagement der Unternehmen bei der Beschäftigung und Ausbildung von Flüchtlingen ist weiterhin hoch", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Gerade in Gastronomie, Verkehr und Logistik gebe es großes Interesse der Betriebe. "Dort sind die Fachkräfte-Engpässe besonders ausgeprägt."

Vor gut zwei Jahren starteten die Industrie- und Handelskammern ihr Aktionsprogramm "Ankommen in Deutschland - Gemeinsam unterstützen wir Integration". Bislang investierten die Kammern fast 50 Millionen Euro in das Programm; etwa 160 Mitarbeiter sind dafür eingesetzt. Im dazugehörenden Unternehmensnetzwerk seien fast 1700 Firmen aktiv, sagte Schweitzer. Insgesamt bilden im Bereich der Industrie- und Handelskammern rund sieben Prozent der Unternehmen Flüchtlinge aus; nach Hochrechnungen des DIHK befanden sich im vergangenen Jahr etwa 15 000 Flüchtlinge in einer IHK-Ausbildung. Ähnlich engagiert ist das Handwerk; generell kommen mehr Flüchtlinge in kleineren Betrieben unter als in großen Konzernen.

Laut Bundesagentur für Arbeit aber hatten im Oktober 2017 erst gut 202 000 Menschen aus den acht Asylherkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, viele davon als Helfer. Das war nicht einmal jeder Fünfte, inklusive der geringfügig Beschäftigten jeder Vierte. Immerhin ist die Tendenz steigend. Was Auszubildende angeht, liegen für 2017 noch keine Zahlen vor; 2016 gab es offiziell gut 9400 Auszubildende aus den acht Asylherkunftsländern.

Es braucht 15 Teilnehmer, damit ein Sprachkurs zustande kommt. Auf dem Land ist das ein Problem

Für die Zwischenbilanz seines Aktionsprogramms hat der DIHK nun die Kammern zu ihren Erfahrungen befragt. Demnach sind Grund-Sprachkenntnisse zum Ausbildungsbeginn und der gesicherte Aufenthalt die wichtigsten Erfolgsvoraussetzungen. Auf Platz drei folgen berufsbegleitende Sprachkurse. Das Angebot an diesen Kursen aber hielten drei Viertel der Kammern für nicht ausreichend, sagte Schweitzer. Ein Problem ist offenbar die Mindestteilnehmerzahl von 15, vor allem auf dem Land und in strukturschwachen Regionen. "Es kann nicht sein, dass jemand, nur weil er nicht in einer Metropolregion arbeitet, einen schlechteren Zugang zum Deutschkurs hat", sagte der DIHK-Präsident. Notwendig seien Kurse für Kleinstgruppen, aber auch Internetseminare. Zudem plädierte Schweitzer für mehr Wochenendkurse; noch seien die Angebote oft nicht kompatibel mit den Arbeitszeiten im Betrieb.

Daher sehen es die Kammern besonders kritisch, dass der Zugang zu berufsbezogenem Deutschunterricht seit Anfang des Jahres sogar restriktiver geworden ist. Inzwischen dürfen nur noch Flüchtlinge mit guten Bleibeaussichten teilnehmen; was etwa afghanische Asylbewerber ausschließt. Das sei "mit Blick auf Beschäftigungs- und Integrationschancen nicht sinnvoll", heißt es in der DIHK-Umfrage. Viele Firmen beschäftigten afghanische Flüchtlinge; der fehlende Zugang zur Sprachförderung konterkariere dieses Engagement.

Dagegen loben die Kammern mit Blick auf das Integrationsgesetz von 2016, dass inzwischen die Arbeitsagenturen in den meisten Regionen nicht mehr prüfen müssen, ob es für eine bestimmte Stelle nicht vielleicht auch einen deutschen Bewerber oder einen aus der EU gäbe, statt eines Flüchtlings. Gut 70 Prozent der Kammern halten es zudem für gut, dass geduldete Flüchtlinge nun für die Zeit ihrer Ausbildung bleiben dürfen, plus zwei Jahre im Beruf. Und jene, die dieses Konzept kritisieren, tun das nicht, weil sie dagegen wären. Sondern weil die Länder und Ausländerbehörden es offenbar weiterhin unterschiedlich umsetzen.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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