Insolvenzverwalter verlangt 100 Millionen Euro:BenQ-Pleite kommt Siemens teurer

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Das Ausmaß der BenQ-Mobile-Pleite ist weit größer als angenommen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sitzt die ehemalige Siemens-Handy-Sparte auf einem Schuldenberg von 883 Millionen Euro.

Markus Balser

Lange haben die Details der rätselhaften Pleite Ende September im Dunkeln gelegen. Nun macht ein Gutachten von Insolvenzverwalter Martin Prager, das der SZ vorliegt, klar: Trotz millionenschwerer Finanzspritzen hat die Handytochter von BenQ in nur gut einem Jahr hohe Schulden angehäuft.

Bei BenQ brennen nur noch wenig Lichter. Das Ausmaß der Pleite ist noch größer als bislang angenommen. (Foto: Foto: dpa)

Eine Sprecherin Pragers sagte, es gehe bei den Angaben nur um eine geschätzte Größenordnung. Bislang sei etwa offen, ob sich bereits alle Gläubiger mit ihren Ansprüchen gemeldet haben.

Das Gutachten wirft erneut Fragen zu den Hintergründen der überraschenden Firmenpleite auf. Siemens macht indirekt BenQ für die katastrophale Finanzsituation der Sparte verantwortlich: Der Konzern habe im Herbst 2005 kein überschuldetes Unternehmen übertragen, sagte ein Siemens-Sprecher am Dienstag.

Hohe Verschuldung trotz millionenschwerer Finanzspritzen

Bei Übergabe des Handy-Weltgeschäfts sei das Vermögen größer gewesen als die Verbindlichkeiten. Wie es in der Folge trotz millionenschwerer Finanzspritzen zu einer derart hohen Verschuldung der hiesigen BenQ Mobile gekommen sei, könne sich der Konzern nicht erklären, hieß es in Unternehmenskreisen.

BenQ hatte die Sparte im Herbst 2005 mit der Zusage einer Mitgift über 400 Millionen Euro erhalten. Nur ein Jahr später stellte der Konzern die Zahlungen an die deutsche Tochter ein und brachte damit die Insolvenz ins Rollen.

Seitdem verloren in Deutschland etwa 3000 Beschäftigte ihren Job. BenQ hatte im vergangenen Jahr behauptet, seinerseits weitere 800 Millionen Euro in die Tochter gesteckt zu haben. ,,Es ist schon rätselhaft, wie so viel Geld in so kurzer Zeit versickern konnte'', sagte ein hochrangiger ehemaliger Betriebsrat von BenQ Mobile am Dienstag.

Brisant

Für den Siemens-Konzern ist das Papier brisant, denn dem Technologieunternehmen droht nach der Korruptionsaffäre und einem EU-Rekordbußgeld ein weiterer Rückschlag. Der Insolvenzverwalter geht in seinem Gutachten von Ansprüchen in Höhe von 100 Millionen Euro gegen den Konzern aus.

Aufhorchen lässt Beobachter die Begründung Pragers: Der Insolvenzverwalter zweifelt offenbar daran, dass Siemens die Finanzverhältnisse der Handysparte bei der Trennung korrekt angegeben hat.

Es seien ,,noch eine Reihe von Bewertungs- und Finanzierungsfragen offen'', hieß es zum Ausgliederungsvertrag mit der taiwanischen BenQ. Prager geht offenbar von einer Konfrontation mit Siemens aus. ,,So ist die Bewertung des Anlagevermögens sowie die Bewertung des Umlaufvermögens strittig'', schreibt er.

Möglicherweise weitere Ansprüche

Aus nicht vollständig bilanzierten Verbindlichkeiten oder Rückstellungen ergäben sich möglicherweise weitere Ansprüche. Ihre Höhe ließe sich jedoch noch nicht beziffern, hieß es weiter. Zu den Einzelheiten machte die Sprecherin von Prager keine Angaben.

Siemens zeigte sich von den Forderungen überrascht. Der Konzern kenne das Gutachten nicht, sagte ein Sprecher. Siemens sei der Meinung, dass die Finanztransaktion mit BenQ korrekt verlaufen sei.

Im Sinne der Aktionäre

Dies hätten auch die Wirtschaftsprüfer von KPMG so testiert. Allerdings könne der Konzern weitere Zahlungen an BenQ Mobile auch nicht ausschließen. Siemens werde sich jedoch im Sinne der Aktionäre verhalten, sagte ein Sprecher.

Das Gutachten macht deutlich: Der Kampf um die Überreste des einst stolzen Handyherstellers ist voll entbrannt. Aus dem vorhandenen BenQ-Vermögen kann Insolvenzverwalter Martin Prager nur einen Teil der aufgehäuften Schulden des Unternehmens begleichen.

Den Verbindlichkeiten von 883 Millionen Euro steht dem Papier zufolge ein geschätztes Vermögen von 310 Millionen Euro gegenüber. Erhoffte Einnahmen aus der Auflösung von BenQ, darunter der Verkauf von Immobilien, Patenten und Maschinen sowie 66 Millionen Euro Bankguthaben, sind darin bereits berücksichtigt.

Schulden an Lieferanten

Einen großen Teil der Verbindlichkeiten schuldet BenQ Mobile mit 263 Millionen Euro seinen Lieferanten, dazu gehört der Chiphersteller Infineon. Verbundenen Unternehmen wie der früheren Mutter BenQ schuldet die Sparte weitere 288 Millionen Euro.

© SZ vom 06.02.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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